Thema der Woche

15. Februar 2007

Rechtsklarheit bei Online-Durchsuchungen

Nach zwölf Jahren "Odyssee" hat der [externer Link] Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss vom 31. Januar 2007 ([externer Link] StB 18/06) nun die heimliche Durchsuchung von Computern eines Beschuldigten als unzulässig bezeichnet, die mithilfe eines ohne Wissen des Betroffenen aufgespielten Programms durchgeführt wird (sog. "Polizei-Trojaner"). Bereits im November 2006 hatte der BGH-Ermittlungsrichter eine solche Auffassung vertreten. Diese Entscheidung steht in deutlichem Gegensatz zu einem Beschluss aus dem Jahre 1995, in dem der BGH noch den heimlichen Zugriff auf eine Mailbox für zulässig befunden hatte – gestützt auf die Regelungen des [externer Link] § 100a StPO (Telefonüberwachung). Die damalige Begründung: "Auch der heimliche Zugriff auf die in den Mailboxen der betroffenen Anschlussinhaber gespeicherten Daten ist im Rahmen der Telefonüberwachung grundsätzlich zulässig." (BGH-2BJs 94/94-6, 1995-07-31, NJW 1997, 1934 ff.)

Dieser Beschluss ist seinerzeit nicht nur vom Autor dieser Meldung heftigst kritisiert worden – sehr viele Stimmen in der juristisch-wissenschaftlichen Literatur haben dieses Ergebnis des Bundesgerichtshofes als falsch dargestellt und darauf hingewiesen, dass für eine solche Durchsuchungsart keinerlei Rechtsgrundlage vorhanden ist. Trotz dieser deutlichen Kritik und trotz vielfältiger Möglichkeiten der Politik in der Vergangenheit anlässlich ohnehin anstehender Gesetzesanpassungen auch hier Abhilfe zu schaffen, ist praktisch nichts geschehen. Die Strafverfolger, die für den Eingriff in Rechte Anderer stets eine Ermächtigungsgrundlage brauchen, um sich nicht selbst rechtswidrig zu verhalten, standen gesetzestechnisch gesehen "im Regen".

Schon lange hatten daher verschiedene Stimmen gefordert, in der Strafprozessordnung eine neue Vorschrift aufzunehmen, die einer solchen Ermittlungsmethode die gesetzliche Grundlage gibt. Das wäre beispielsweise möglich, indem man eine Parallele zur Beschlagnahme schafft ([externer Link] § 94 StPO) oder die Regelung zur Überwachung der Telekommunikation entsprechend ergänzt (§100a StPO), wie es etwa auch die Neuregelung des [externer Link] § 100c StPO (Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen) Mitte 2005 durchaus ermöglicht und nahegelegt hätte.

Erwartungsgemäß ist die jetzige Reaktion von Politik und Rechtsgelehrten nach der aktuellen Entscheidung heftig: So hält etwa der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Zircke Online-Durchsuchungen für dringend erforderlich und forderte ebenso wie viele Politiker eine entsprechende gesetzliche Regelung. Da nun jedoch höchstrichterlich entschieden wurde, dass heimliche Online-Durchsuchungen unzulässig sind, können die Strafverfolger im Moment nicht mehr auf solche Maßnahmen zurückgreifen, wenn sie weiterhin rechtsstaatlich handeln wollen. Konnten sie sich bislang noch auf die zwar umstrittene, aber letztlich klare BGH-Äußerung aus dem Jahre 1995 stützen, so würde eine Fortführung der genannten verdeckten Maßnahme nunmehr gegen geltendes Recht verstoßen – so lange bis eine entsprechende Neuregelung geschaffen wird. ([externer Link] Rechtsanwalt Stefan Jaeger, jaeger@simon-law.de)