Thema der Woche

21. März 2005

Schilys TK-Überwachungspläne: verfassungswidrig und wirtschaftsfeindlich

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sind sich einig: Die Umsetzung europäischer Pläne, sämtliche Telekommunikations-Provider zur 12-monatigen Aufbewahrung von Verkehrsdaten zu verpflichten, wäre eine verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung. Nachdem Bundesinnenminister Schily sich auf der CeBIT 2005 "an die Spitze der Telekommunikationsüberwacher gestellt hat und die zwangsweise Vollspeicherung von Verkehrsdaten forderte", sahen sich die Datenschützer zu einer klaren Stellungnahme veranlasst.

Dr. Thilo Weichert, Vorsitzender der Datenschutzkonferenz und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, erläutert: "Die 12-monatige Aufbewahrung von TK-Verkehrsdaten hätte zur Folge, dass Polizei und Geheimdienste von der gesamten deutschen Bevölkerung erfahren könnten, wann wer mit wem telefoniert, SMS- oder E-Mail-Nachrichten ausgetauscht, von wo aus mit dem Handy angerufen, auf welcher Internet-Seite gesurft und welche Online-Dienste genutzt hat. Betroffen wären die rechtstreuen arglosen Bürgerinnen und Bürger." Den Beitrag einer solchen Überwachung zur Aufklärung von Straftaten schätzt Weichert hingegen als minimal ein, da international organisierte Verbrecher und Terroristen durchaus Möglichkeiten haben, die Zurückverfolgung von Verkehrsdaten mit technischen Mitteln zu umgehen.

Die Speicherung der Verkehrsdaten und ihre Bereitstellung für die Sicherheitsbehörden hätten jedoch gewaltige Kosten für die Telekommunikationsanbieter zur Folge, die diese natürlich an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben würden. "Eine Konsequenz wäre, dass die Menschen ihre eigene Totalüberwachung finanzieren müssten", konstatiert Weichert: "Eine zusätzliche Folge wäre, dass die wirtschaftliche Nutzung der Telekommunikation behindert würde, weil die Menschen sich hierbei staatlich kontrolliert wüssten. Konsequenz wäre schließlich, dass große finanzkräftige Provider die kleineren TK-Anbieter wegen der nötigen Investitionskosten vom Markt verdrängen könnten. Dadurch würde der aus Datenschutzsicht wünschenswerte Anbieterwettbewerb nachhaltig gestört; insbesondere kleine und mittlere, besonders innovative Betriebe würden geschädigt."

Die drohende Vorratsdatenspeicherung geistere schon seit Jahren "wie ein Gespenst" durch Deutschland und Europa. Nach Ansicht der Datenschützer verstieße sie nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen die Europäische Grundrechte-Charta – noch bevor diese in Kraft getreten ist. Weicherts Stellungnahme endet in einem klaren Appell, das Gespenst der Vorratsdatenspeicherung nachhaltig zu vertreiben, denn schließlich sollen sowohl die Grundrechte-Charta als auch das Deutsche Grundgesetz den Datenschutz und das Telekommunikationsgeheimnis als Grundlagen einer freiheitlichen Demokratie gewährleisten.