Thema der Woche

18. September 2001

Terror legitimiert keinen Überwachungsstaat

Angesichts der jüngsten Terroranschläge werden Forderungen nach neuen und weitergehenden Befugnissen für Sicherheitsorgane sowie einer Beschränkung von Verschlüsselungstechnologie laut. "Die Terroranschläge in den USA sind auch für deutsche Politiker Anlass, neue Überwachungsbefugnisse für Polizei und Geheimdienste zu fordern und die Beschränkungen der Ermittlungsarbeit durch 'den Datenschutz' zu beklagen", stellt Dr. Thilo Weichert, stellvertretender Landesbeauftragter für den externer Link Datenschutz Schleswig-Holstein, fest. Gleichzeitig warnt er: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es selbst mit den weitestgehenden Überwachungsbefugnissen und den besten Überwachungstechniken praktisch ausgeschlossen ist, professionell geschützte Kommunikation zu erkennen und zu entschlüsseln."

Die bloße Nutzung starker Verschlüsselung könne man beim Abfangen von Nachrichten vielleicht noch feststellen. Falls allerdings Kriminelle die Übertragung geheimer Botschaften in Bildern oder sonstigen Datenbeständen mithilfe von allgemein verfügbarer Steganografie verschleiern, so seien Geheimdienste nach derzeitigem Stand der Technik "am Ende ihres Lateins". Weichert weiter: "Vieles spricht dafür, dass die islamisch-fundamentalistischen Attentäter solche Techniken nutzen. Daher ist es auch unsinnig, den Geheimdiensten Vorwürfe zu machen, durch Telekommunikationsüberwachung nichts von dem geplanten Massenmord gewusst zu haben. Verschlüsselungsverbote nützen jedoch nichts gegen professionelle Verbrecher; wohl aber würden sie den Selbstschutz der unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger sabotieren."

Auch aus den USA hört man mahnende Stimmen. Bruce Schneier beklagt in seinem externer Link Newsletter Crypto-Gram in der Woche nach den Attentaten: "Sofort kamen Rufe nach mehr Sicherheit. Unglücklicherweise ist weniger Freiheit der schnellste und einfachste Weg, diese Forderungen zu erfüllen. So etwas ist aber immer kurzsichtig; es gibt durchaus Lösungen, die jene freie Gesellschaft erhalten, die uns am Herzen liegt, aber sie sind schwieriger zu finden und erfordern eine vernünftige Diskussion. In Krisenzeiten ist es einfach, Freiheitlichkeit zu missachten, oder schlimmer noch diejenigen anzugreifen und zu stigmatisieren, die sie verteidigen."

Zu den Auswirkungen kommentiert Schneier: "Ich erwarte durchaus allgemeine Fremdenfeindlichkeit sowie mehr automatisierte Überwachung unbescholtener Bürger und Beschränkungen des Informationsflusses und digitaler Sicherheitstechnik. Ich erwarte keine große Debatte um die Effektivität dieser Maßnahmen oder ihre Auswirkungen auf Freiheit und Bürgerrechte. Es ist einfacher, nur zu reagieren."