Thema der Woche

30. Oktober 2002

Wider verdachtslose Datenspeicherung

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben sich in einer Entschließung gegen die systematische verdachtslose Datenspeicherung in der Telekommunikation und im Internet ausgesprochen. Gegenwärtig werden sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Vorschläge erörtert, die den Datenschutz im Bereich der Telekommunikation und der Internetnutzung und besonders den Schutz des Telekommunikationsgeheimnnisses grundlegend in Frage stellen. Geplant ist, alle Anbieter von Telekommunikations- und Multimediadiensten zur verdachtslosen Speicherung sämtlicher Bestands-, Verbindungs-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten auf Vorrat für Mindestfristen von einem Jahr und mehr zu verpflichten – auch wenn diese Daten für Geschäftszwecke der Anbieter nicht notwendig sind. Das dadurch entstehende Datenreservoir soll dann den Strafverfolgungsbehörden, der Polizei und dem Verfassungsschutzzur Verfügung stehen. Auch auf europäischer Ebene werden laut Daetnschutzkreisen im Rahmen der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in den Bereichen "Justiz und Inneres" – unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit – entsprechende Maßnahmen diskutiert.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder treten diesen Überlegungen mit Entschiedenheit entgegen. Sie betonen dazu erneut die Bedeutung des Telekommunikationsgeheimnisses als unabdingbare Voraussetzung für eine freiheitliche demokratische Kommunikationsgesellschaft: "Immer mehr menschliche Lebensäußerungen finden heute in elektronischen Netzen statt. Sie würden bei einer Verwirklichung der genannten Pläne einem ungleich höheren Überwachungsdruck ausgesetzt als vergleichbare Lebensäußerungen in der realen Welt. Bisher muss niemand bei der Aufgabe eines einfachen Briefes im Postamt seinen Personalausweis vorlegen oder in einer öffentlichen Bibliothek registrieren lassen, welche Seite er in welchem Buch aufschlägt. Eine vergleichbar umfassende Kontrolle entsprechender Online-Aktivitäten (E-Mail-Versand, Nutzung des WorldWideWeb), wie sie jetzt erwogen wird, ist ebensowenig hinnehmbar."

Zudem habe der Gesetzgeber erst vor kurzem die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden deutlich erweitert. Die praktischen Erfahrungen mit diesen Regelungen sollten von unabhängiger Seite evaluiert werden, bevor weitergehende Befugnisse diskutiert werden. Auch die Konferenz der europäischen Datenschutzbeauftragten hat in einer Erklärung vom September 2002 betont, dass eine flächendeckende anlassunabhängige Speicherung sämtlicher Daten, die bei der zunehmenden Nutzung von öffentlichen Kommunikationsnetzen entstehen, unverhältnismäßig und mit dem Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens unvereinbar wäre. Selbst in den USA seien vergleichbare Maßnahmen nicht vorgesehen.

Mit dem deutschen Verfassungsrecht ist eine verdachtslose routinemäßige Speicherung sämtlicher bei der Nutzung von Kommunikationsnetzen anfallender Daten auf Vorrat nach Meinung der Datenschutzbeauftragten nicht zu vereinbaren. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse eine solche Vorratsspeicherung aus Gründen bloßer Nützlichkeit nicht zu. Die [externer Link] Konferenz Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat die Bundesregierung deshalb aufgefordert, für mehr Transparenz der Beratungen auf europäischer Regierungsebene einzutreten und insbesondere einer Regelung zur flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung nicht zuzustimmen.

Zudem hat der Arbeitskreis Medien der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder eine neue Orientierungshilfe zum Umgang mit personenbezogenen Daten bei Internetdiensten erstellt, die einen Wegweiser durch das komplexe Tele- und Mediendiensterecht liefern soll und vor allem die Pflichten der Anbieter erläutert. Diese und weitere Orientierungshilfen sind beispielsweise über das [externer Link] Online-Angebot des Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz erhältlich.