Thema der Woche
7. Mai 2001
Scharfe Warnung vom Datenschützer
"Die Entwicklung der Informationsgesellschaft weltweit ... gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge. Die Risiken und Bedrohungen für die Privatsphäre und für die Grundrechte schlechthin werden immer größer. Die Gefahr des Überwachungsstaates ist keineswegs gebannt." Dieses Resümee zieht der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Helmut Bäumler anlässlich der Vorstellung seines 23. Tätigkeitsberichtes. Als Warnzeichen für Überwachungsstaat und -gesellschaft nennt Bäumler vier Beispiele:
- Der von der Innenministerkonferenz einstimmig verabschiedete Plan, die Internetprovider zu verpflichten, künftig sechs Monate lang zu speichern, wer wann welche Website wie lange besucht hat, würde eine extreme Überwachung des Informationsverhaltens, aber auch der Konsum- und Freizeitinteressen von Millionen von Internetnutzern gewissermaßen "auf Schritt und Tritt" ermöglichen.
- Der Europarat hat mit Zustimmung Deutschlands die Cyber-Crime Convention beschlossen, mit der die internationale Bekämpfung der Computerkriminalität forciert werden soll. So löblich dieses Ziel als solches sei, so sehr sei laut Bäumler zu kritisieren, dass die Cyber-Crime Convention mit rechtsstaatlichen Standards nicht gerade zimperlich umgehe und einseitig die Interessen der Strafverfolgung betone. Alle Warnungen von Bürgerrechtlern, Multimedia-Unternehmen und Datenschützern seien in den Wind geschlagen worden und man habe eine unausgegorene Convention verabschiedet, noch bevor eine gründliche Debatte in den Parlamenten möglich war.
- Die zunehmende Verbreitung von Videotechnik nicht nur auf öffentlichen Plätzen, sondern auch in Kaufhäusern, Einkaufspassagen, Bussen, Bahnen und auf Privatgrundstücken verdeutliche, wie sehr die Möglichkeiten der heimlichen Beobachtung der Menschen zunehmen.
- Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms eröffnet Einblicke in die Veranlagungen, Krankheitsdispositionen, Charaktereigenschaften -kurz: in den eigentlichen Bauplan jedes Menschen. Als Untersuchungsmaterial genügen schon kleine Blut- oder Speicheltropfen, einzelne Haare oder Ähnliches. Die Durchführung von Genomanalysen sei dabei keineswegs auf Großlabore beschränkt, die notwendige Technik für erschwingliche Preise von jedermann zu kaufen.
Bäumler sieht darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen, bei denen Kollisionen mit dem Recht auf Privatsphäre vorhersehbar sind. Der Einsatz der Informationstechnik in fast allen Lebensbereichen schaffe ein Überwachungspotenzial in bisher nicht da gewesener Form. Daher sei weiterhin Wachsamkeit geboten, von Entwarnung könne keine Rede sein.
Doch auch positive Trends hat der Datenschützer zu melden: Die Rahmenbedingungen für den Datenschutz hätten sich (zumindest in Schleswig-Holstein) weiter verbessert. Und schon jetzt wäre erkennbar, dass eine wachsende Zahl von Unternehmen sich nicht nur datenschutzrechtlich korrekt verhalten, sondern mit einem überzeugenden Datenschutzangebot um Kunden werben möchte.
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