[ Porträtfoto: Norbert Luckhardt] Wer nicht fragt ...

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2007#4, Seite 3

Rubrik: Editorial

Begreifen und verstehen wollen, erscheint grundlegend menschlich: Schon kleine Kinder beginnen mit dem buchstäblichen be-greifen ihrer Umgebung. Und sobald sie sprechen können, löchern sie ebendiese Umgebung mit grundlegenden Fragen zum Wieso, Weshalb, Warum der vermeintlich trivialsten Geschehnisse – ad nauseam wie genervte Eltern berichten können...

Betrachtet man die Herangehensweise von Anwendern an neue Informationstechnik (egal, ob Software, neues Handy oder Digitalkamera), dann hat man bisweilen den Eindruck, sie verharren in der ersten Phase: Ausprobieren und grundlegende Funktionen entdecken sind spannend – Handbuch lesen und hintergründige Erklärungen sind langweilig, erscheinen zu aufwändig oder aussichtslos.

Liegt hierin eine Analogie zu den Kinderschuhen, in denen die Informationsgesellschaft (historisch betrachtet) noch steckt? Sind die Nutzer überfordert, erschlägt die Komplexität heutiger Technologie jede Neugier? Sind wir schlicht übersättigt, ist unser Wissenshunger mehr als gestillt durch die immense Menge – teils schwer verdaulicher – Informationen, mit denen wir ständig gefüttert werden? Liegt es an der Schnelllebigkeit, dem dauernden Drang zu Effizienz und der fortschreitenden Rationalisierung und Konsolidierung? Wie auch immer ...

Es bleibt zu beobachten: Statt fragen zu wollen, sind wir meist froh, wenn keine Fragen bleiben. Statt "Wissende" zu nerven, reagieren wir genervt: Ich will das nicht verstehen – es soll einfach funktionieren! Dabei könnte es vermutlich viel besser funktionieren, wenn man es auch verstanden hätte...

Doch oft stehen die Chancen fürs Verstehen schlecht: Wie soll das "gemeine Volk" die IT-Welt noch verstehen, wenn schon die Fachleute über Begriffe uneins sind (vgl. Web 2.0 oder die "SOA-Debatte" ab S. 6)?! Wie soll man sein neues Werkzeug verstehen, wenn an dessen Dokumentation gespart wird (vgl. S. 22)? Und ohne Verständnis der Anwendung entwickelt die IT leicht am Anwender vorbei – der reagiert dann mit Unverständnis und Unwillen, etwas zu nutzen, dessen Nutzen ihm fraglich erscheint (vgl. die "Lessons learned" bei PKI ab S. 50).

Wie geht das besser? Dieselbe Sprache zu sprechen, scheint eine wichtige Grundlage. Und vielleicht können wir auch sonst noch einiges "aus der Kinderstube" lernen: Neugier wecken, Fragen fördern, schrittweises Lernen ermöglichen, Geduld haben, ...