[Aufmachergrafik: heller, corporate design] Bit, Blatt oder Bild? Unterschiedliche Aufbewahrungsformen für Langzeitarchive von Akten

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2007#3, Seite 50

Rubrik: Management und Wissen

Schlagwort: Langzeit-Archivierung

Schlagwort-2: Verfahren

Zusammenfassung: Auch im IT-Zeitalter fallen noch reichlich papierhafte Belege, Dokumente und Akten an – für manche Vorgänge ist weiterhin die Schriftform erforderlich. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über mögliche Verwahrungsformen im Langzeitarchiv.

Autor: Von Steffen Schwalm, Berlin

Zunehmende Digitalisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen, wachsende Sparzwänge und umfangreiche regulatorische Vorgaben für Aufbewahrungsfristen bereiten Archiv-Veranwortlichen in Unternehmen und Behörden heute häufig "Kopfschmerzen". Die möglichen Archivierungsverfahren sind vielfältig, aber nicht gleichermaßen wirtschaftlich – die Entscheidung für ein System daher umso schwieriger.

Angesichts von geltenden Aufbewahrungsfristen zwischen fünf und einhundert Jahren bedeutet selbst die "Innovationskraft" der Informationstechnik ein Problem für die Langzeitarchivierung: In immer kürzeren Abständen folgt eine Generation von Speichertechnik auf die andere, es herrscht Unklarheit über die zukünftigen Datei- und Medien-Formate und viele der heutigen Datenträger sind nicht dauerhaft haltbar. Damit ist eine langfristig rechtssichere Aufbewahrung und Verfügbarkeit elektronischer Dokumente gefährdet.

Auf der anderen Seite ist jedoch die zunehmend digitale Bearbeitung von Dokumenten heute wesentlicher Bestandteil der vernetzten Welt, an der man praktisch nicht vorbeikommt. Außerdem stellt digitales Dokumentenmanagement inzwischen die Grundlage vieler effizienter Geschäfts- und Verwaltungsmodelle dar, weil es Abläufe beschleunigt sowie die Archivierungs- und Prozesskosten deutlich reduziert. Das Marktforschungsinstitut Gartner hat beispielsweise ermittelt, dass die Suche nach falsch abgelegten oder verlorenen Akten bis zu 30 % Arbeitszeit benötigen kann. In der öffentlichen Verwaltung sind die Auswirkungen sogar noch drastischer: Nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) kostet die Bearbeitung eines behördlichen Bescheids in Papierform etwa 7 Euro – für die digitale Abwicklung desselben Vorgangs ermittelte das Institut hingegen nur einen Bruchteil der Kosten, nämlich 20 Cent.

Wirtschaftlichkeitsanalyse

Zunehmend lauter werden deshalb wirtschaftlich optimierte Verfahren zur Erfüllung der normierten Verwahrpflichten eingefordert. Allerdings mangelt es in der Praxis häufig an Kenntnissen zur fachgerechten und dennoch kosteneffizienten Archivierung. Zu den Kernproblemen gehört häufig eine unzureichende Analyse und Bewertung des Wirtschaftlichkeitsprofils möglicher Archivierungsverfahren.

Dabei gilt es zunächst zwischen einer zentralen und dezentralen Verwahrung von Dokumenten zu unterscheiden. Diese Entscheidung ist wesentlich von der Aufbewahrungsfrist des jeweiligen Bestands abhängig. In vielen Fällen handelt es sich zudem bei der für die Archivierung verantwortlichen Stelle um eine auf mehrere Standorte verteilte Institution. Dann zieht eine zentrale Verwahrung die Zentralisierung zunächst dezentral gelagerter Akten- und Dokumentenbestände nach sich. Hierbei ist auch zu entscheiden, wann diese Zentralisierung stattfindet: Erfolgt sie unmittelbar nach Abschluss eines Vorgangs oder erst nach einer definierten Transferzeit? Je nach regulatorischem Umfeld ist gegebenenfalls noch der Zeitpunkt des Anbietens gegenüber einem zuständigen staatlichen Archiv einzubeziehen.

Archivierungsformen

Die heute möglichen Archivierungsalternativen unterscheiden sich wesentlich durch ihre technischen Charakteristika und die damit verbundenen Organisationsverfahren. Allerdings lassen sich alle nicht nur hausintern, sondern auch teilweise oder vollständig über spezialisierte Dienstleister abwickeln (vgl. Tab. 1).

Verwahrungsform Verfahren
Papierne Verwahrung Verwahrung inhouse
Verwahrung durch Dienstleister
Mikrofilm (Analoge Verfilmung) Verfilmung vor Ort
Verfilmung durch Dienstleister
Verwahrung inhouse
Verwahrung durch Dienstleister
Digitalisierung und digitale Archivierung Digitalisierung inhouse
Digitalisierung durch Dienstleister
digitale Archivierung inhouse
digitale Archivierung extern
Mikroverfilmung im Hybridverfahren Scannen und Ausbelichten inhouse
Konvertierung beim Dienstleister
Verwahrung inhouse
Verwahrung extern

Tabelle 1: Alle heute üblichen Archivierungverfahren lassen sich auch teilweise oder vollständig über spezialisierte Dienstleister abwickeln.

Papierarchiv

Grundsätzlich sind bei der klassischen Variante auf Papier an eine befristete Verwahrung dieselben Anforderungen zu stellen wie an eine dauerhafte Archivierung. Zu den grundlegenden Bedingungen für Magazine zur Papierverwahrung gehören eine Temperatur zwischen 14 und 18 Grad Celsius, eine maximale Luftfeuchtigkeit von 35 bis 50 Prozent, der Schutz vor Tageslicht, Kunstlicht-Einstrahlung von maximal 50 bis 80 Lux sowie gas- und staubfreie Luft. Die Verwahrung von Papier erfolgt sinnvollerweise in säurefreien Archivkartons und möglichst in zusätzlichen Archivmappen mit einer Lagerung der Boxen in einer Regalanlage. Ein solches Magazin kann entweder selbst betrieben oder die Lagerung an einen externen Dienstleister übergeben werden.

Als wesentlicher Kostenfaktor der papiernen Verwahrung ist der Raumbedarf in allen seinen Kostenfacetten von der Miete über Personalaufwand bis hin zur anforderungsgerechten technischen Ausstattung und den allgemeinen Betriebskosten hervorzuheben. Zudem steht die Papierform der aktuellen technischen Entwicklung entgegen, die eine zunehmende Digitalisierung geschäftlicher und behördlicher Abläufe nach sich zieht. Hier können gegebenenfalls zukünftig Zusatzkosten für Retrodigitalisierungen entstehen.

Mikrofilm (analoge Verfilmung)

Unter analoger Verfilmung wird die Konversion von Papierdokumenten auf Mikrofilm unter Verwendung einer Kamera verstanden. Aus Kapazitätsgründen, die für eine wirtschaftliche Verwahrung im Vordergrund stehen, sollte die Umwandlung im Durchlaufverfahren erfolgen; dies impliziert jedoch einen Anachronismus, da die Produktion entsprechender Kameras faktisch eingestellt ist. Eine Verfilmung kann auf 16 mm Silberhalogenidfilm, dem aus dem gleichen Material bestehenden Fiche oder 105 mm Planfilm erfolgen.

Silberhalogenidfilm bietet sich sowohl aufgrund der langfristigen Haltbarkeit – es wird von über 500 Jahren ausgegangen – als auch des vergleichsweise geringen Platzbedarfs als Aufbewahrungsmedium an. In Anbetracht der zunehmenden Digitalisierung der Aktenführung steht jedoch auch hier gegebenenfalls eine nachträgliche Digitalisierung zur Diskussion.

Mikrofilm-Hybridverfahren

Beim Hybridverfahren erfolgt zunächst eine Digitalisierung von papierbasierten Aufzeichnungen beziehungsweise Dokumenten. Anschließend werden diese Digitalisate auf Mikrofilm ausbelichtet. So bietet sich die Möglichkeit, unter Nutzung moderner Technik Papier-Akten auf den langfristig haltbaren Mikrofilm zu konvertieren. Wird das im ersten Schritt anfallende Digitalisat gespeichert, ermöglicht es zudem raschere Zugriffe – in einem solchen Hybridverfahren kommen dann das Digitalisat als Nutzungs-, der Film als Verwahrungsmedium zum Einsatz.

Für ein solches Vorgehen sind Kosten und technischer Aufwand genau gegen den erwarteten Nutzen abzuwägen. Sofern die Digitalisate nicht aufbewahrt werden, steht in der Zukunft auch hier möglicherweise eine Neu-Digitalisierung zur Debatte.

Digitale Archivierung

Ähnlich der analogen Verfilmung sollte aus Kapazitätsgründen eine Digitalisierung im Durchlaufverfahren erfolgen. Als Datenformate kommen vor allem PDF/A (vgl. S. 54) oder TIFF infrage. Die genaue Art der Speicherung ist im Wesentlichen von der Zugriffsintensität abhängig: Ein häufiger Rückgriff aufs Archiv bedingt eine schnelle Zugriffsgeschwindigkeit und entsprechende Speichertechnik (z. B. Festplatten). Ist der Zugriff dagegen selten, so kann auch eine reine Bandspeicherlösung ausreichen. Aus Gründen der Datensicherung sollte man generell eine Zweitsicherung der Digitalisate räumlich getrennt von der Erstsicherung vorsehen.

Die digitale Aufbewahrung entspricht der technischen Entwicklung und erlaubt zudem einen effektiven Zugriff auf die verwahrten Aufzeichnungen. Gleichzeitig steht diese Form vor dem Hintergrund des exorbitanten Innovationstempos der Informationstechnik, was periodische Migrationen auf moderne Speichermedien und Datenformate nach sich zieht, um die Nutzbarkeit der Aufzeichnungen zu erhalten. Als weitere Methode käme die Emulation in Frage. Für beide Verfahren lassen sich die Kosten aufgrund der nicht absehbaren technischen Entwicklung nur bedingt berechnen.

Wirtschaftlichkeitsmatrix

Eine pauschale Bewertung und wirtschaftliche Gegenüberstellung der verschiedenen Archivierungsmethoden lässt sich angesichts der individuell sehr verschiedenen Verhältnisse und Anforderungen in Unternehmen und Behörden kaum vornehmen. Generelle Aussagen etwa zu den typischen Kostenvorteilen bei einer rein elektronischen Archivierung haben nur einen sehr bedingten Wert, weil sie in ihrer Pauschalität die konkreten Bedingungen nicht ausreichend abbilden können.

Wesentliche Parameter bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verwahrungsformen zeigt Tabelle 2. Dazu gehören insbesondere die Aktenmenge und Anzahl der Dokumente beziehungsweise ihre Seitenzahl, der erforderliche Archivierungszeitraum sowie das Volumen der Aufzeichnungen, die in andere Medien umzuwandeln sind. Diese Faktoren stehen in enger Beziehung und gegenseitigen Wechselwirkungen mit verschiedenen Kosten durch Raumbedarf, Personalaufwand, Material (Papier, Speichermedien etc.), Technik (Konversionstechnik, DMS-Software, Speichersysteme etc.) sowie Transport und Vernichtung von Akten.

Numerische Parameter Kostenfaktoren
Archivierungszeitraum (Zuwachszeit vs. Verwahrzeit) Raumkosten (Miete bzw. Abschreibung, technische Ausstattung, Betrieb, ggf. Personal etc.)
Zeitraum, in dem neue Akten abgeschlossen werden und entsprechend der Aufbewahrungsfrist zu verwahren sind
Aktenmenge Personalkosten
Blattzahl Material- und Technikkosten
Parameter der Dienstleister bei Konversionsverfahren
Seitenzahl Archivsoftware (Implementierung, Speichersysteme, Betrieb etc.)
Speicherbedarf
Zugriffsintensität Transportkosten

Tabelle 2: Wesentliche Parameter bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung verschiedener Verwahrungsformen

Eine entsprechende Matrix aus numerischen Parametern und Kostenarten ist im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für jede der möglichen Archivierungsalternativen anzulegen, um zu objektiv vergleichbaren Werten für die Planungsentscheidung zu gelangen. Die Ermittlung der erforderlichen Daten stellt zwar in der Praxis meist ein schwieriges und aufwändiges Verfahren dar, ohne sie lässt sich jedoch keine fundierte Bewertungsbasis schaffen.

Outsourcing

Zu einer fundierten Wirtschaftlichkeitsanalyse gehört es auch zu untersuchen, welche Aufgaben im eigenen Hause erfolgen sollen und welche Archivierungsfunktionen möglicherweise günstiger von einem externen Dienstleister übernommen werden können. Ein gezieltes Outsourcing bestimmter Aufgaben ermöglicht tendenziell Kostenvorteile, dies gilt jedoch nicht generell und ist wiederum von individuellen Bedingungen abhängig.

Grundsätzlich kann eine Auslagerung sowohl für die Verwahrung der Dokumente in ihrer originären Form als auch für die Konvertierung archivwürdiger Aufzeichnungen vorgenommen werden. Ebenso lässt sich die Erstellung von Metadaten einem Dienstleister übertragen, die zur Recherche der aufbewahrten Unterlagen notwendig sind. Sowohl mit Blick auf die Metadaten als auch auf gescannte Primärdaten ist die Frage der Datenübertragung genauestens zu klären.

Aufbewahrungsform Kostenfaktoren
Papierne Verwahrung Ersteinlagerung
Datenerfassung
Lagerkosten
Zugriff
Mikrofilm (Analoge Verfilmung) Verfilmung
Datenerfassung
Entsorgung
Transport
Digitalisierung und digitale Verwahrung Scannen
Datenerfassung
Transportmedium
Entsorgung
Transport
Mikrofilm (Hybridverfahren) Scan / Belichtung
Datenerfassung
Transportmedium
Entsorgung
Transport

Tabelle 3: Bei der Entscheidung für teilweises oder vollständiges Outsourcing wesentliche Kostenfaktoren

Für das Outsourcing einzelner Verfahrensschritte besonders bedeutende Kostenfaktoren zeigt Tabelle 3. Hierdurch erweitert sich die Matrix der wirtschaftlichen Analyse für die verschiedenen Archivierungsformen um eine zusätzliche Dimension. Die damit verbundene höhere Komplexität im Bewertungsverfahren lohnt sich jedoch aufgrund des Optimierungspotenzials beim Outsourcing.

Neben den aufgeführten verfahrensspezifischen Punkten ist insbesondere auch die Zugriffsintensität auf archivierte Unterlagen bedeutsam, die bereits die Entscheidung für eine bestimmte Verwahrungsform maßgeblich beeinflusst. Zudem kann es sinnvoll sein, seine Outsourcing-Strategie breit anzulegen und dabei Dienstleistungen von mehr als einem Anbieter zu nutzen. So ist es beispielsweise denkbar, einen privaten Serviceanbieter mit der Konversion und Verwahrung von Dokumenten zu betrauen, aber die digitale Archivierung auf das Rechenzentrum eines Tochterunternehmens oder Partners zu übertragen.

Steffen Schwalm ist Consultant bei der Infora GmbH.