[ Porträtfoto: Norbert Luckhardt] Return on Investment

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2006#3, Seite 3

Rubrik: Editorial

Wollen Lehrer darauf hinweisen, dass Lernen kein Selbstzweck ist, greifen sie gerne zum Latein: "Non scholae, sed vitae discimus" – nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Dabei hat der alte Lateiner Seneca das genau genommen genau andersherum gesagt, weil es als Kritik, nicht als Ermunterung geäußert wurde – die bekannte Umkehrung soll sich erst rund 1200 Jahre später durchgesetzt haben.

Was soll man nun damit anfangen? Genau auf diese Frage kommt es an! Wissen allein kann sehr wohl ein Selbstzweck sein. Die Investition Wissen muss erst noch mit Meta-Wissen um seine Nutzbarmachung angereichert werden – und für einen "Return on Investment" bedarf es darüber hinaus noch der Erkenntnis. Hier erweist sich die deutsche Sprache als metaphorisch zutreffend: Wissen erwirbt man, Erkenntnisse gewinnt man.

Wissen Sie eigentlich, was Erkenntnis genau bedeutet? Also ich habe sicherheitshalber erstmal nachgeschlagen und festgestellt, dass man da offenbar unterschiedlicher Meinung sein kann: Ein klassisches Taschenlexikon zementiert den Begriff schlicht als "gesichertes Wissen über einen Sachverhalt" (vgl. [externer Link] www.wissen.de). Die "Wissens-Community" Wikipedia reflektiert hingegen – zumindest in dem Moment als ich eben online war – die Diskutabilität der Definition und stellt eingangs fest: "Häufig wird die bewusste Einsicht in einen Sachverhalt, die über das bloße Wissen hinausgeht und die Akzeptanz dieses Wissens enthält, als Erkenntnis bezeichnet."

So oder so: Erkenntnis ist "mehr" als Wissen. Für lebendiges Wissen statt statischer Sachverhalte ist Bewegung nötig. Für neue Erkenntnisse ist neues Wissen hilfreich – doch auch die erneute Reflexion alten Wissens kann neue Erkenntnisse liefern. Lebenslanges Lernen bedeutet auch, zwischendurch immer wieder mal prinzipiell statt pragmatisch zu denken. Selbst knappe Ressourcen sollten hierfür Freiräume lassen – diese Investition zahlt sich aus. Und vielleicht machen wir uns dann von der Informations- über die Wissensgesellschaft auf den Weg zur Utopie einer Erkenntnisgesellschaft.