[ Porträtfoto: Norbert Luckhardt] Ungebremst im Internet

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2006#2, Seite 3

Rubrik: Editorial

Noch'n Vergleich: Wenn Computer Autos wären, ... dann würden die meisten Menschen ohne Gurt mit Tempo 200 drauflos rasen, ohne zu wissen, wo die Bremse ist – etliche wüssten nicht einmal, was eine Bremse genau ist. Zugegeben, der Vergleich müsste mal zum Auswuchten, denn der virtuelle Raser landet (meist) nicht am nächsten Brückenpfeiler. Unfälle auf der Datenautobahn sind häufig nicht sofort erkennbar und spätere Ermittlungen schwierig, umso mehr bei "Fahrerflucht" (vgl. S. 60).

Ansonsten ist der Auto-Vergleich ganz gut: Von den üblichen unrühmlichen Ausnahmen abgesehen sieht im Straßenverkehr heute jeder ein, dass vor der freien Fahrt für freie Bürger erstmal die Fahrschule kommt. Und dort trainiert man nicht nur die reine Bedienung des Fahrzeugs, sondern lernt auch Verkehrszeichen und -regeln sowie (hoffentlich) eine vorausschauende, angepasste Fahrweise. Zudem: Grundlagen der Pannenbeseitigung und lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort.

Zurück zur Datenautobahn: Oft hört man von "nur Anwendern", dass sie nicht wissen wollen, wie das alles funktioniert und daher müssten sich auch andere um die Sicherheit kümmern. Die Computerei wird dann schnell mit den Feinheiten des Motorenbaus und sonstiger automobiler High-Tech gleichgesetzt, die einen Fahrer ja schließlich auch nicht zu kümmern haben. Beim zweiten Hinsehen wird der Fehler offenbar: Ja, fahren können genügt – aber fahren lernen ist notwendig!

Im Umkehrschluss: Wer glaubt, einen Computer einfach einschalten und "unfallfrei" nutzen zu können, der irrt. Und – genau wie im Straßenverkehr – gefährdet ein solcher "Geisterfahrer" nicht nur sich selbst, sondern auch andere: sei es als Virenschleuder, Zombie-PC im Bot-Netz (vgl. S. 35) oder Sprungbrett für Spam-Versender und Datensaboteure.

Und hier kommen nun die Fachleute ins Spiel: als "Fahrtrainer", die über Risiken und Gegenmaßnahmen aufklären, die Weitsicht verschaffen (vgl. S. 56) und für eine differenziertere Sichtweise und eigenverantwortliches Handeln werben – bei Mitarbeitern im Unternehmen wie auch im privaten Umfeld – damit wir in der virtuellen Welt auch morgen noch ohne Zwang zur Führerscheinprüfung und zum regelmäßigen TÜV-Besuch miteinander leben können.