Tagungsbericht 2. BSI-Symposium zur Biometrie 2004

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erschienen in: <kes> 2004#3, Seite 49

Rubrik: BSI Forum

Schlagwort: Biometrie

Zusammenfassung: Aufgrund des großen Erfolgs des ersten Biometrie-Symposiums in 2002 veranstaltete das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Kooperation mit der Abteilung Sicherheitstechnologie des Fraunhofer-IGD am 1. und 2. März 2004 das "Second International BSI-Symposium on Biometrics".

Autor: Von Dr. Christoph Busch und Henning Daum, Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), sowie Klaus Keus, BSI

Der Zusatz "international" im Veranstaltungstitel kommt nicht von ungefähr: Mit Vortragenden aus vielen verschiedenen Ländern wie Dänemark, Italien, USA und Korea zog es natürlich auch ein entsprechend internationales Publikum mit circa 130 Teilnehmern nach Darmstadt zum Fraunhofer Institut. Neben den Vorträgen bestand die Möglichkeit, Biometrie-Lösungen in der das Symposium begleitenden Fachausstellung auch anzufassen und sich über die neuesten Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich der Integration in Pässe, zu informieren. Diese Fachausstellung gab kurz vor der CeBIT einen Einblick in die aktuelle Produktpalette der deutschen Biometrie-Industrie und stellte weiterhin mit dem Venen-Erkennungssystem eines asiatischen Herstellers ein bisher in Europa nicht verbreitetes neues biometrisches Verfahren vor.

Wie BSI-Präsident Dr. Udo Helmbrecht bei der Eröffnung des Symposiums darlegte, war es das Anliegen des Veranstalters, unter dem Titel "Biometrics in the Reflection of Requirements" eine Brücke zwischen Anforderungen, den Erfahrungen aus den letzten Jahren und dem Ausblick auf die kommenden Techniken und Entwicklungen zu schlagen. Dabei wurde deutlich gemacht, in welcher Spannung diese Technologie heute zwischen Erwartungen und Entwicklungen steht.

Dies fand sich bereits in den ersten drei Vorträgen wieder: Zuerst gab die Biometrie-Kapazität Jim Wayman unter dem Titel "Biometrics – now and then" einen Rückblick auf die wissenschaftlichen Biometrie-Aktivitäten der zurückliegenden vierzig Jahre. Die historische Betrachtung zeigte eindrucksvoll, dass sich Fragestellungen technischer und anwendungsbezogener Art über die Jahre nicht verändert haben. So wurden schon in den 60er-Jahren die heute aktuellen Anwendungsszenarien diskutiert und bereits in den 70er-Jahren tauchten die ersten Konzepte auf, die Informationen von unterschiedlichen biometrischen Sensoren (z. B. Merkmale von Gesicht, Iris und Fingerprint) zu einem multimodalen System zu verknüpfen.

Auch die Einschätzungen in Bezug auf die zu erwartende Marktpenetration haben sich über die Jahre nicht geändert. Jim Wayman zeigte eindrucksvoll, dass der Durchbruch der Biometriebranche von Marktforschern konstant für eine Zeitperspektive von fünf bis sieben Jahren in der Zukunft prognostiziert wird. Eine Prognose, die mit der vom EU-Experten Andrea Servida auf dem Symposium erstmals vorgestellten EU "Council Regulation on Standards for Security Features and Biometrics in EU Citizens' Passports" nun tatsächlich zur Wirklichkeit werden wird.

In Vorbereitung dieses Schrittes untersucht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) eine Reihe von technischen Fragestellungen, die für das Anwendungsszenario Biometrie in der Grenzkontrolle von wesentlicher Bedeutung sein werden. Gerhard Schabhüser (BSI) zeigte unter dem Titel "Technical Consequences of the Biometric Agenda of the German Government" auf, welche technischen Untersuchungen unter Förderung des Bundesministeriums des Innern unter anderem in den Projekten BioP, BioFace und BioFinger erarbeitet werden.

Christoph Busch vom Fraunhofer-IGD führte das Auditorium schließlich wieder in die Gegenwart zurück, indem er unter dem Titel "The Biometric Landscape in Germany" aktuelle Entwicklungen aus akademischen und industriellen Forschungs- und Entwicklungslabors in Deutschland zusammenfasste. Eine Landschaft, die durch ein hohes Engagement von kleinen Unternehmen und Institutionen geprägt wird, die sich mit geringen Forschungsbudgets gegenüber einer international starken Konkurrenz behaupten müssen.

Die internationale Normierung für die Speicherung von biometrischen Daten stand im Mittelpunkt des Vortrags "The ISO/IEC JTC1 SC37 Standards 19794-x" von Rainer Plaga. Diese Gruppe von Standards legen für die gängigen biometrischen Merkmale Fingerabdruck, Gesicht, Iris, Unterschrift und so weiter Speicherformate fest – mit Sicherheit ein wichtiger Schritt in Richtung der Interoperabilität von Systemen. Nils Tekampe beleuchtete anschließend das Thema Zertifizierung biometrischer Geräte bei seinem Vortrag "Biometrics in the Context of Common Criteria". Dies stellt im Hinblick auf die Biometrie eine besondere Herausforderung dar, da die Aufzeichnung biometrischer Merkmale auch bei berechtigten Nutzern einer gewissen Varianz unterworfen ist und nicht wie zum Beispiel bei Passwörtern zu einer 100-Prozent-Übereinstimmung führt.

Die drei folgenden Vorträge berichteten über Evaluierungen von biometrischen Systemen. Den Anfang machte Patrick Grother vom NIST, der über die zurückliegenden und zukünftigen Evaluierungen von Gesichtserkennungssystemen mit dem Namen "Face Recognition Vendor Test" vortrug. Neben den Ergebnissen der zurückliegenden Tests aus 2000 und 2002 stellte er auch dar, welche neuen Fragestellungen in zukünftigen Tests angegangen werden könnten. Einen dem FRVT ähnlichen Test für Fingerabdrücke stellte Raffaele Cappelli vor, der über die "Fingerprint Verification Competitions" referierte, die an der Universität Bologna in 2000, 2002 und 2004 durchgeführt wurden beziehungsweise werden. Hier konnten interessante Entwicklungen durch den Vergleich der Testergebnisse über die Jahre hinweg gewonnen werden, die dann jeweils zu einer Veränderung der Testanordnung beziehungsweise -fragestellung führten. Darüber hinaus wurde ein Tool zur Erstellung von synthetischen Fingerprints vorgestellt sowie die ersten Testergbnisse, die natürliche mit synthetischen Fingerabdrücken vergleichen.

Henning Daum (Fraunhofer-IGD) stellte ausgewählte Ergebnisse zweier Studien vor, die im Auftrag des BSI durchgeführt wurden: In "BioFace" wurden sowohl drei verschiedene Gesichtserkennungsalgorithmen in einem Wettbewerb verglichen als auch in einem Systemtest die Erkennungsleistung im "echten Leben" untersucht. Hierfür wurden verschiedene Kamerasysteme zur Überwachung eines Eingangsbereichs mit Biometrie-Systemen gekoppelt. Aus der Studie "BioFinger" wurden Überlegungen zu der Veränderung der Wahrscheinlichkeitsdichten als Einfluss der Alterung des biometrischen Merkmals sowie dem Zeitabstand zwischen Referenz- und Suchbild und der Aufnahmegröße dargestellt.

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Abbildung 1: Jim Waymann und CAST-Biometric Award

An Jim Waymann wurde im Rahmen der Abendveranstaltung der "CAST Biometrics Award 2004" des Competence Centers für Applied Security Technology (CAST) verliehen. Der Vorstandsvorsitzende des CAST-Vereins und Vizepräsident der TU Darmstadt Prof. Dr. Johannes Buchmann würdigte in seiner Laudatio das Lebenswerk von Jim Wayman, dessen Forscherkarriere in den Siebzigerjahren in der Sprachverarbeitung begonnen hatte. Jim Wayman erhielt den Preis für seine Errungenschaften im Bereich der Biometrie, die von der Sprechererkennung über die Entwicklung von anwendungsorientierten Testprotokollen zur Performanz und Sicherheitsevaluierung von biometrischen Systemen reicht bis hin zu seinen jüngsten wichtigen Beiträgen in der internationalen Standardisierung.

Die internationale Komponente des Symposiums kam noch einmal verstärkt am zweiten Veranstaltungstag zum Tragen, den John Woodward vom Department of Defense, USA mit einem Vortrag über Planungen und den Einsatz von Biometrie innerhalb der amerikanischen Streitkräfte eröffnete. Anschließend wurden verschiedene Pilot-Installationen biometrischer Systeme im Alltag vorgestellt: Zunächst stellte Vinh Nguyen-Xuan (Fraport) das Iris-Gate am Frankfurter Flughafen (ABG – Automatisierte biometriegestützte Grenzkontrolle) vor. Der vorläufig auf sechs Monate angelegte Pilotversuch ermöglicht den eingelernten Nutzern (LH-Vielfliegern) eine automatische Aus- und Einreise in die Bundesrepublik mit dem biometrischen Muster der Iris.

Eine andere Biometrie, nämlich der Fingerabdruck, wurde bei den Bornholmstraffiken-Fähren gewählt. Jonas Andersson von Precise Biometrics berichtete über diese Realisierung für das Ticketing-System, das im Dezember 2003 bereits von 12 000 Passagieren genutzt wird. Den Schluss des Blocks zu Installationen machte Jim Wayman (San Jose State University), der über die biometrische Einreisekontrolle für Crew-Mitglieder der australischen Fluglinie Quantas am Flughafen Sydney berichtete. Das System mit dem Namen "SmartGate" ist eines der jüngsten Beispiele, bei dem die Gesichtserkennung eines deutschen Unternehmens zum Einsatz kommt. Wie aus der wissenschaftlichen Auswertung erkennbar wird, ist das Projekt nicht nur im Hinblick auf die Steigerung des Sicherheitsniveaus, sondern auch zur Optimierung der Einreiseprozeduren, und damit ökonomisch, erfolgreich.

Eine Technik zur Erfassung von Fingerabdrücken abseits von herkömmlichen Pfaden stellte Yakob Badower (Microsense) mit einem Ultraschall-Sensor vor. Ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal könnte hier sein, dass man mit dieser Technik in den Finger "hineinsehen" kann. So hat man nicht nur die Möglichkeit, die weniger beanspruchten, tieferliegenden Hautschichten für die Fingerabdruckerfassung nutzen zu können, sondern auch direkte Lebend-Erkennungsprozesse zu integrieren.

Über eine weitere, in Europa bisher nicht vertretene Biometrie berichtete Alex Choi (Techsphere): die Venenmustererkennung. Erfasst werden die Venen des Handrückens, deren relative Lage zueinander für eine biometrische Erkennung genutzt wird. Die Zukunft der DNA-Erkennung war Thema des letzten Vortrags von Hermann Schmitter (BKA). Er zeigte die Stärken und Schwächen der heutzutage verwendeten DNA-Vergleiche auf und stellte die DNA-Analyse im Nutzen zur Personenidentifizierung den klassischen biometrischen Verfahren gegenüber.

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Abbildung 2: Fachausstellung zum Biometrie-Symposium

Die abschließende Podiumsdiskussion stand unter dem Titel "Biometric Systems and Applications: What can be expected in the near future?" Hier wurde kontrovers über die Entwicklungen, Notwendigkeiten und Anforderungen der Biometrie in der Zukunft diskutiert. Jim Wayman mit seiner jahrelangen Biometrie-Erfahrung sowohl aus Wissenschaftssicht als auch als Anwendervertreter war ebenso auf dem Podium vertreten wie Reinhard Posch als Professor der Universität Graz und ebenso Vertreter der Wissenschaft einerseits und Anwender (CIO des IKT-Lenkungskreises der Österreichischen Bundesbehörden) andererseits. Sadhbh McCarthy, die Direktorin des European Biometric Forum, war eher als Anwalt der Anwender wie auch Veronika Nolde von B&L Management Consulting zu sehen, und Gerhard Schabhüser vom BSI, der beide Seiten der Medaille kennt, vervollständigte das hochkarätige Team.

Dabei wurden insbesondere solche technischen Fragen erörtert wie "Biometrie als (gleichwertiger) Wissensersatz?", "Biometrietechnologie heute als ausgereifte IT-Sicherheitstechnik?", "Sinn und Zweck von Conformance-Testing: Kann ständig wiederholtes Funktionalitäts- und Performance-Testen von biometrischen Produkten und Systemen die IT-Sicherheitsbeiträge erhöhen?", oder "Standardisierung als möglicher Beitrag zur Interoperabilitätssicherung und zur Verbesserung der Anwendungen". Diskutiert wurden auch Themen wie "Biometrie in zukünftigen Anwendungsfeldern wie elektronisches Identitätsmanagement" oder Fragen grundsätzlicher Art wie: "Kann Biometrie mehr bieten als nur Identifikation?". Nicht zuletzt wurde auch die Frage nach dem Menschen als Subjekt und gleichzeitig als Objekt betrachtet. Fragen hinsichtlich der technischen Möglichkeiten zum Datenschutz wie auch zur Akzeptanz wurden angesprochen. In den offenen Diskussionen spiegelte sich deutlich das Thema des Symposiums wider, sowohl in der Zusammensetzung des Podiums als auch durch die vertretenen unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkte zwischen den Vertretern der Wissenschaft und der Anwender.

Im Schlusswort zum Symposium lobte Klaus Keus (BSI) die hohe Qualität der Vorträge und auch der Diskussionen, die oftmals daraus entstanden. In der Tradition des zweijährigen Rhythmus kündigte er an, dass es 2006 das "Third biennial international BSI-Symposium on Biometrics" geben wird. Also alles in allem: eine sehr gelungene Veranstaltung, die nicht zuletzt durch die hervorragenden Beiträge und die herausragenden Diskussionen einen internationalen Stellenwert eingenommen hat.

Die Vorträge sind auf der Webseite des Fraunhofer-IGD unter [externer Link] www.igd.fhg.de/igd-a8/biometrics/BSI-Symposium-2004.html verfügbar. Die auf dem Symposium vorgestellten Beiträge sind in englischer Sprache in einem Konferenzband dokumentiert (Second BSI-Symposium on Biometrics 2004, SecuMedia, ISBN 3-922746-55-1).