[ Porträtfoto: Norbert Luckhardt] Ärgernis oder Bedrohung?

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2004#3, Seite 3

Rubrik: Editorial

Spam ist ein massives Ärgernis. Warum eigentlich? Nimmt man an, dass ein E-Mail-Postfach 40 % Spam-Mails erhält, so dürften diese meist recht kurzen Nachrichten doch nur 5–10 % des Datenvolumens ausmachen, zudem nur temporär. Da Spam in der Regel unmittelbar zu erkennen ist, könnte man bezüglich der Arbeitslast für den Nutzer folgende Milchmädchenrechnung aufstellen: Löschen einer Spam-Nachricht – nach langem Überlegen – dauert 3 Sekunden, Beantworten einer "erwünschten" E-Mail – sehr optimistisch – im Durchschnitt 1 Minute; dann verbliebe für die manuelle Spam-Behandlung nur ein Anteil von 3 % der für E-Mails aufgewendeten Arbeitszeit.

Doch irgendwie scheint diese schöne Theorie nicht zur Wirklichkeit zu passen – vielleicht, weil das Aussortieren übermäßig stresst, weil es extrem nervt, dass Spammer auf unsere Kosten Geschäfte machen wollen, weil die Mitarbeiter ohnehin schon am Limit schaffen und jeder weitere Mausklick Überlast bedeutet, weil die gemachten Annahmen nicht stimmen oder warum-auch-immer.

Am Thema Spam-Abwehr kommt man derzeit nicht vorbei. Auch diese <kes> ist daher voll von Anti-Spam-Beiträgen. Doch ist Spam auch eine hochrangige Bedrohung? Besteht das "Risiko" für Unternehmen nicht vor allem in der zusätzlichen Last, sowohl im Netzwerk und auf Mail-Servern als auch bei den Mitarbeitern?

Wo dadurch Zusammenbrüche drohen, ist Handeln dringend angesagt. Doch muss man dann nicht auch die zugrunde liegende Kapazitätsplanung hinterfragen? Ist nicht die allgemeine E-Mail- und Informationsflut noch immer das größere Problem? Mal ganz abgesehen von akuten Belastungen durch Viren- und Wurm-Epidemien, denen aber die hauseigene Virenabwehr – nach dem Vorliegen neuer Signaturen – schnell Einhalt gebieten sollte.

Eine funktionierende Spam-Abwehr, die Arbeit vom Menschen auf Computer verlagert, ist auf jeden Fall eine gute Sache... mehr Arbeit als vorher sollte sie aber nicht machen und man hüte sich vor "Overblocking" – wenn übereifrige Maschinen wichtige E-Mails löschen, geht der Schuss nach hinten los. Und zur Bedrohung gerät das Ganze sicherlich auch dann, wenn über den populären Kampf gegen Spam andere wichtige Dinge liegenbleiben oder kein Budget mehr erhalten.