Software-Tools zur Business Continuity

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2003#4, Seite 14

Rubrik: Management und Wissen

Schlagwort: Business Continuity

Zusammenfassung: Angesichts komplexer Geschäftsprozesse liegt eine softwareunterstützte Notfallplanung eigentlich nahe. Eine stichprobenhafte <kes>-Umfrage zeigte jedoch unlängst, dass etliche Unternehmen noch keine solchen Hilfen im Einsatz haben. Unser Autor hat daher Kurzvorstellungen der gängigen Lösungen im deutschen Markt zusammengetragen.

Autor: Von Christian Senger, Elmenhorst

Das Notfallmanagement kritischer Geschäftsprozesse sowie die Wiederanlaufplanung betriebsnotwendiger Hardwareressourcen ist eine sehr komplexe und vielschichtige Aufgabenstellung innerhalb eines Unternehmens. Dabei müssen unterstützende Software-Werkzeuge heute mehr berücksichtigen können als nur Informationstechnik: Vielmehr steht der Geschäftsprozess als solcher im Mittelpunkt und auch Organisationsstrukturen und Nicht-IT-Ressourcen sollten abzubilden sein.

Eine Notfallplanung in Form eines Sicherheits- oder IT-Handbuchs mit einem reinen Textverarbeitungssystem zu erstellen, kann durch den Einsatz neuer Technologien und die Komplexität der Geschäftsprozesse schon lange nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Der Trend geht deutlich zum dynamischen Online-Werkzeug, auf das womöglich per Browser-Frontend von überall her und mit einer Vielzahl von Geräten zugegriffen werden kann.

Viele Produkte haben sich im Laufe der Jahre dahin weiterentwickelt, dass sie neben der klassischen Notfallplanung auch Synergieeffekte für ein umfassendes IT-Betriebsmanagement erzeugen, beispielsweise Asset- und Problem-Management, oder auch die in der (Notfall-)Datenbank gespeicherten Informationen für die Lösungen täglicher Störfälle beispielsweise im Help-Desk zur Verfügung stellen. Derartige Zusatznutzen können, gerade bei erhöhtem Kostendruck in den Unternehmen, zu einem wichtigen Entscheidungskriterium werden.

Eine Integration in "normale" Abläufe und möglichst viele (auch Nicht-IT-)Abteilungen kann zudem die Aktualität der Pläne deutlich erhöhen und Mitarbeiter gehen mit einem häufig genutzten Tool im Ernstfall routinierter um. Man sollte auch den Stellenwert der Akzeptanz durch den Anwender nicht unterschätzen, den die Software letztendlich in seinem mehr oder minder täglichen Arbeitsprozess unterstützen soll.

Natürlich muss ein Notfallplan auch im Notfall schnell und aktuell verfügbar sein: beispielsweise auf einem abgesetzten Server gesichert, als Handbuch ausgedruckt und im Katastrophenarchiv ausgelagert oder auf Massenspeichern verteilt vorliegen. Nicht umsonst achten Wirtschaftsprüfer und IT-Revisoren bevorzugt auf die Aktualität solcher Pläne. Im Folgenden skizzieren wir jeweils kurz die auf dem deutschen Markt vertriebenen Software-Tools, um diese Pläne zu erstellen. Weitere Beiträge zum Thema Business Continuity gab es bereits in der vorigen Ausgabe der <kes> 2003#3 (ab S. 12).

alive-IT

[Screenshot: alive-IT von Controll-IT]

In alive-IT lassen sich Ressourcen, Geschäftsprozesse, Daten zum Personal und potenzielle Störungen und ihre Lösungen verwalten. Lösungen sind in Form von Prozessen dokumentiert und können im Notfall online abgearbeitet oder vorab als Handbuch gedruckt werden. Die Dokumentation von Ausweichplanungen, Alarmketten und Eskalationsprozeduren erfolgt in Form von Prozessketten und grafischer Darstellung dieser Prozesse (Netzpläne).

Darüber hinaus unterstützt das Produkt auch das Lösungsmanagement: Beispielsweise kann ein Help-Desk darüber Störungen von Kunden entgegennehmen und diese vorbereiteten Lösungen zuordnen. Im Kaufpreis enthalten ist zudem ein Self-Assessment Modul mit dem sich Fragebögen mit Bewertungskriterien definieren lassen, die zur Beantwortung über das Web zur Verfügung stehen: im Rahmen der Notfallplanung einsetzbar für Risiko-Analysen oder etwa unternehmensübergreifend für eine Fragebogenaktion zur Kundenzufriedenheit.

Das Tool ist rein webbasiert und erfordert clientseitig nur einen Browser; serverseitig sind ein Windows- oder Unix-Rechner als Webserver und ein beliebiges System als Datenbank-Server vonnöten.

Hersteller: Controll-IT GmbH, [externer Link] www.controll-it.de, info@controll-it.de, Tel. +49 40 85506-317, Herr Rosenberg – Preise: 6 400 € für 1–3 konkurrierende Nutzer, 11 500 € für bis zu 5 Anwender, weitere auf Anfrage – Sprachen: DE, EN, FR

APCDOC

Das einzige Mainframe-Tool auf dem deutschen Markt ist APCDOC (ohne Abb.). Die Erstellung eines Notfallplans erfolgt nach der klassischen Methode über die Erfassung von Personen, dem Zuordnen zu Notfallteams und Erstellen von Aktivitäten für die Teams mit dem ISPF-Editor (Interactive System Productivity Facility). Die Softwarevoraussetzungen sind OS/390, z/OS und TSO/ISPF.

APCDOC hat mehrere Templates, die speziell für Disaster Recovery entwickelt worden sind. Die Zugriffskontrolle erfolgt per RACF (Resource Access Control Facility). Das Produkt unterstützt neben Entwicklung und Wartung auch das Testen von unternehmensweiten Disaster-Recovery-Plänen in einer zentralisierten Großrechner-Umgebung.

Textorientierte Programme wie APCDOC können zwar Informationen anzeigen und auswerten; das Einbinden von Grafiken in den Informationstext ist nicht möglich. Selbst unter der Oberfläche von Terminalemulationen kann solches Handling für die Notfallplanung nicht mehr als "State of the Art" gelten.

Hersteller: CA Computer Associates GmbH, [externer Link] www.ca.com/germany/, manfred.scherwath@ca.com, Tel. +49 40 53291-427, Herr Scherwath – Preise: auf Anfrage, abhängig von Rechnergruppe, Betriebssystem und Nutzungsdauer – Sprachen: EN

CAPT

[Screenshot: CAPT von Heine & Partner]

Das Continuity Action Planning Tool CAPT ist eine Windows-Anwendung, die zum Editieren, Speichern und Drucken von Handbüchern Microsoft-Word nutzt – das Tool läuft auf einem simplen PC und erfordert keinen Server. Anwender müssen sich somit nicht groß umorientieren, sondern arbeiten gegebenenfalls in ihrer gewohnten Office-Umgebung. Externe Dokumente lassen sich durch Verknüpfungen einbinden, sodass sie nur an einer Stelle gepflegt werden müssen. Das Datenmodell enthält vordefinierte Links zwischen den verschiedenen Datenbeständen; Hardware-, Software- und Infrastruktur-Daten werden mit den Aktivitäten-Plänen verbunden.

Eine Ampelfunktion zeigt im Test- und Notfall eine Übersicht über die erledigten, in Arbeit befindlichen und noch anstehenden Aktivitäten an. In den Menüs ist benutzerdefiniertes Sortieren und Filtern möglich. Das Tool verfügt zudem über einen umfangreichen Reportgenerator zur Erstellung von Listen. Inhalte und Layout der Reports sind vordefiniert, können aber von den Anwendern auch verändert werden. Das Ergebnis ist entweder ein Word-Dokument oder eine Struktur von HTML-Dateien, die per Intranet bereitgestellt werden können.

CAPT ist ein kompaktes und einfach zu bedienendes, ausgereiftes Tool, das für Unternehmen jeder Größe genutzt werden kann – vor allem, wenn ohnehin mit Microsoft-Office gearbeitet wird.

Hersteller: Heine & Partner GmbH, [externer Link] www.heine-partner.de, vertrieb@heine-partner.de, Tel. +49 8761 6677-0, Herr Heutling – Preise: Mehrplatzlizenz 10 000 €, Kompaktlizenz 6 000 €, Konzernlizenz auf Anfrage – Sprachen: DE, EN

CM

[Screenshot: CM von Heine & Partner]

Der Continuity Manager CM ist eine Applikation, die auf Lotus Notes basiert: Alle relevanten Daten sind in einer Notes-Datenbank gespeichert. Daraus lassen sich Handbücher in die so genannte Generate-Datenbank erzeugen, wo keine Änderungen mehr möglich sind – die Handbücher können nur gelesen oder gedruckt werden. Für beide Datenbanken steht eine Volltextsuche zur Verfügung; die Generate-Datenbank unterstützt zudem einen Zugriff per Web-Browser.

CM benötigt keinen zusätzlichen Editor, Notes liefert eine große Spanne von Layout-Features. Auch Dateien aus Microsoft-Office-Anwendungen lassen sich einbetten. Sie können dann in der Notes-Datenbank abgespeichert oder damit verbunden und außerhalb gepflegt werden. So oder so steht der Inhalt der Dateien in den generierten Handbüchern zur Verfügung. Die Aktivitätenplanung ist in eine Hierarchie mit vier Ebenen aufgegliedert. Die Dauer einzelner Aktionen in der Notfallplanung wird gespeichert, der kritische Pfad berechnet. Über die Zeitberechnung der Prozesse ermittelt die Software, ob ein definiertes Wiederanlaufzeitfenster erreicht wird.

Das System empfiehlt sich besonders für Unternehmen, die ohnehin Notes (ab Version 5.x) für Server und Clients als strategische Applikationsbasis unter Windows NT/2000 nutzen.

Hersteller: Heine & Partner GmbH, [externer Link] www.heine-partner.de, vertrieb@heine-partner.de, Tel. +49 8761 6677-0, Herr Heutling – Preise: Mehrplatzlizenz 10 000 €, Konzernlizenz auf Anfrage – Sprachen: DE, EN

eRunbook

[Screenshot: eRunbook von nova ratio]

eRunbook ist in erster Linie ein Revisions- und Controllingwerkzeug für die IT-Infrastruktur. Wiederanlauf- und Notfallpläne sind nur ein Teilbereich aus seinem Funktionsumfang. Die Zielsetzung des Tools ist laut Anbieter die zentrale Bereitstellung aller Informationen eines IT-Rechenzentrums sowie die bedarfsgerechte Aufbereitung dieser Daten in Abhängigkeit der individuellen Benutzerbedürfnisse. In seiner Architektur ist eRunbook streng unterteilt in die Bereiche Datenerfassung, Verarbeitung und Darstellung.

Die Systemdaten werden automatisiert und plattformübergreifend eingescannt und mit Zeitstempel versehen abgespeichert. Die Abhängigkeiten von Wiederanlauf-Prozessen werden grafisch dargestellt. Aus den Informationen eines IT-Betriebsmanagement entsteht so ein vollständiger und aktueller Notfallplan mit einer revisionssicheren Dokumentation.

Für die Datenbank kann praktisch jedes marktgängige Produkt wie mySQL, Oracle (8.1.7) oder DB2 zum Einsatz kommen. Als Webserverplattform erfordert eRunbook Solaris Sparc (ab Ver. 2.8) oder ein Intel-Linux-System; für die Client-Seite genügt ein Web-Browser. eRunbook ist ein IT-Betriebsmanagement-Tool mit dem Synergieeffekt der Notfallplanerzeugung aus den vielfältig gespeicherten Informationen. Aufgrund der Komplexität kann dieses Softwarewerkzeug nicht ohne Projektunterstützung eingesetzt werden.

Hersteller: nova ratio AG, [externer Link] www.nova-ratio.de, cn@nova-ratio.de, Tel. +49 2623 9242-0, Herr Nonninger – Preise: auf Anfrage – Sprachen: DE, EN, weitere auf Anfrage

Gabriel/EDS

[Screenshot: Gabriel/EDS von notfallplanung.at]

Gabriel/EDS (Emergency Documentation System) wurde im Rahmen einer Diplomarbeit als Datenbankapplikation entwickelt, die auf Microsoft Access 2000 aufsetzt. Das Produkt führt den Benutzer laut Herstellerangaben nach der Erfassung der Grunddaten und Einzelmaßnahmen schnell zu einem umfangreichen Notfallhandbuch, welches bereits als vorgefertigte Struktur (Access-Bericht) vorliegt.

Bereits vorhandene Dokumentationen lassen über Hyperlinks oder direkt in die Datenbank integrieren. Software-Updates werden dem Anwender über eine User-Group mitgeteilt; sie müssen dann von ihm eigenhändig in der Access-Datenbank durchgeführt werden.

Wer sich nur auf die Notfallplanung in mittelstänschigen Unternehmen konzentriert, kann mit dem Produkt die grundlegenden Elemente wie das Erfassen von den im Notfall beteiligten Personen, Zusammenstellen von Teams und Aktivitäten durchführen, um einen Notfallplan für das Unternehmen als Ergebnis zu erhalten. Für weiter gehende Funktionen im Rahmen der Notfallplanung setzt jedoch auch Microsoft Access Grenzen.

Hersteller: notfallplanung.at, [externer Link] www.notfallplanung.at, office@notfallplanung.at, Tel.: +49 172 8845388, Herr Wiring – Preise: Einzelplatzlizenz 4 500 €, Serverlizenz 5 900 € – Sprachen: DE

LDRPS

[Screenshot: LDPRS von Strohl Systems]

Um Änderungen in seinen Datenbanken verfolgen zu können, erstellt das Living Desaster Recovery Planning System LDRPS eine komplette Notfallplanhistorie. Jeder Mitarbeiter, der von einer Planänderung betroffen ist, bekommt automatisch eine Benachrichtigung per E-Mail. Das System meldet auch, wenn bis zu einem festgelegten Zeitpunkt die Aktivitäten in der Datenbank nicht überarbeitet wurden. Durch das so genannte Document Dictionary Tool lassen sich Daten – beispielsweise Mitarbeiterlisten – aus anderen Datenbanken importieren.

Der Incident Manager ist ein zusätzliches Modul, dass im Test- und Ernstfall alle Notfallaktivitäten koordiniert und im K-Fall die Notfallteams automatisch per Telefon, Mail oder SMS benachrichtigt.

Die Software läuft auf Standard-PCs unter Windows 9x/NT/2000/XP. Leider gibt es die Produkte noch nicht in deutscher Sprache. Nach Auskunft des Unternehmens befindet sich eine deutsche Version jedoch für Ende 2003 in Vorbereitung.

Hersteller: Strohl Systems GmbH, [externer Link] www.strohl-systems.de, info@strohl-systems.de, Tel. +49 871 27688-0, Herr Funk – Preise: ab 10 200 € – Sprachen: EN, ES, FR, HU, NO, PT, SE

RecoveryPAC

[Screenshot: RecoveryPAC von DATEX-Engineering]

DATEX-Engineering bietet RecoveryPAC in zwei Ausführungen an, um die verschiedenen Planungsbedürfnisse unterschiedlich großer Organisationen zu bedienen: RecoveryPAC ist speziell für die gesamtunternehmerischen Anforderungen von Großunternehmen, Großabteilungen, Produktionsbereichen oder umfangreiche Abteilungen ausgelegt. RecoveryPAC II zielt hingegen auf kleinere, weniger komplexe Organisationen, Rechenzentren und Abteilungen.

RecoveryPAC gestaltet Kontinuitätsplanungsaufgaben in einen geradlinigen Prozess, der sich laut Anbeiter auch für Anfänger eignen soll. Drag-and-drop macht das Verschieben und Vervielfältigen der Pläne zu einer leichten Aufgabe. Mit einem Recovery-Planer wird ein Organisationsstammbaum erstellt, um die Struktur der Recovery-Organisation und das Ziel des Planungsprozesses in Form eines Gantt-Charts grafisch darzustellen (vgl. Screenshot).

Anbieter: DATEX-Engineering, [externer Link] www.datex-engineering.de, info@datex-engineering.de, Tel. +49 2158 405968, Herr Schlien – Preise: Single-User-Versionen RecoveryPAC II 5 000 US-$, RecoveryPAC 15 000 US-$, Multi-User LAN-Version 20 000 US-$, Konzernlizenz 75 000 US-$ – Sprachen: DE, EN

ROGSI/DMS

[Screenshot: ROGSI/DMS von ROG]

Die ROGSI/DMS Disaster Management Solution ist ein modulares System, mit dem sich neben der Notfallplanung eine umfassende IT-Dokumentation für den Tagesbetrieb erstellen lässt. Die Nutzung im laufenden Betrieb stellt sicher, dass die Dokumentation permanent aktuell gehalten wird und dass Mitarbeiter mit dem Werkzeug gut umgehen können. Das System umfasst die Funktionen grafischer Notfallplanung, Adressverwaltung, Asset-Management, Lokations-Verwaltung, Workflow-Management und ein frei definierbares Berichtswesen.

Eine integrierte Versionsverwaltung und Planfreigabe stellt sicher, dass immer die richtigen Pläne verfügbar sind und bietet volle Revisionssicherheit. ROGSI/DMS arbeitet auf Standard-PCs unter Windows NT/2000/XP und optional per Web-Frontend. Das System lässt sich auch vollständig auf einem USB-Speicher ablegen und kann so bequem mitgeführt und ohne Installation auf Windows-2000/XP-PCs (mit USB-Unterstützung) ausgeführt werden.

Hersteller: ROG GmbH, [externer Link] www.rog.de, info@rog.de, Tel. +49 6272 9214-20, Herr Glessmann – Preise: Einzelplatzlizenz 10 250 €, Mehrplatzlizenzen ab 11 250 €, Browser-Add-on ab 1 500 €, Workflow-Add-on ab 3 000 €, Konzernlizenz auf Anfrage – Sprachen: CZ, DE, EN, ES, FR, GR

Christian Senger ist Spezialist für Business Continuity bei der Techniker Krankenkasse in Hamburg.