Erfahrungen mit Notfall-Tools Umfrage: Eindrücke zwiespältig – jeder Zweite möchte ein Hilfsmittel

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2003#3, Seite 22

Rubrik: Management und Wissen

Schlagwort: Business Continuity

Schlagwort-2: Notfall-Tools

Zusammenfassung: Eine überraschend große Zahl von Unternehmen und Behörden setzt noch keine Handbücher oder Software-Tools zur Unterstützung ihrer Business-Continuity-Maßnahmen ein. Die <kes> hat sich in einer Ad-hoc-Umfrage bei Lesern nach ihren Erfahrungen und dem generellen Interesse an Notfallplanungsinstrumenten erkundigt.

Welche Hilfsmittel verwenden <kes>-Leser bei ihrer Vorsorge für den Notfall? Vorgefertigte Handbücher? Eigene Zusammenstellungen? Oder marktgängige Tools? Im Rahmen einer Bestandsaufnahme der Eigenschaften solcher Hilfsmittel hat die Redaktion in einer Stichprobe 77 IT-Sicherheitsverantwortliche von Kreditinstututen, Industrieunternehmen, Behörden und Beratern gefragt,

Das überraschende Ergebnis: Mehr als die Hälfte der antwortenden <kes>-Leser, durchweg hochrangige Mitarbeiter der wichtigsten deutschen Unternehmen und Behörden, setzen bisher kein Hilfsmittel ein, sind aber sehr an Informationen über das am Markt befindliche Angebot interessiert. Damit erscheint der Bedarf in der Praxis höher als es die <kes>/KPMG-Sicherheistsstudie 2002 vermuten ließ: Im letzten Jahr hatten 77 % der Studien-Teilnehmer angegeben, mindestens eine Form von Notfalldokumentation zu nutzen (vgl. Abb.).

[ Existiert in Ihrem Hause eine Notfalldokumentation? 
  (Mehrfachnennungen möglich) -- 
  Manuelles Handbuch (PC-Textsystem, Host-Texte): 47% ja, 26% in Arbeit --
  Online gestütztes Handbuch: 21% ja, 16% in Arbeit -- 
  Online-Anwendungen: 5% ja, 6% in Arbeit ]
Angaben zur Art der verwendeten Notfall-Dokumentation aus der <kes>/KPMG-Sicherheitsstudie 2002

Von der Stange

Zwölf der jetzt antwortenden 77 Unternehmen nutzen am Markt erhältliche Tools. Erwähnt wurden CAPT und CM von Heine & Partner (bzw. ICM von INFO AG), ROGSI/DMS von ROG, Alive-IT von Controll-IT, das Tool "L.D.R.P.S." der in Deutschland weitgehend unbekannten US-Firma Strohl Systems, das vor allem im Sparkassenbereich verbreitete Dokumentationstool Dokusa und gelegentlich Software, die nur die Wiederherstellung von Daten nach einem Crash unterstützt.

Als wesentliche Vorteile ihrer Instrumente nannten diese Anwender:

Als Nachteile wurden genannt:

Wie sehr solche Urteile dabei auch von der Person des Anwenders oder den örtlichen Rahmenbedingungen abhängen, zeigt die Tatsache, dass zu ein und demselben Produkt einmal als Nachteil "umständliche und aufwändige Pflege" moniert wurde während ein anderer Anwender als Vorteil "einfache Pflege" angeführt hat.

Selbstgeschneidert

Individuell entwickelte Handbücher oder Programme – mehrheitlich Datenbanken auf Basis von Lotus Notes – haben 18 der 77 Befragten im Einsatz. Die genannten Vorteile stimmen zum Teil mit der Beurteilung der Standardprodukte überein, zeigen aber auch, wo Anwender ihre speziellen Bedürfnisse realisiert haben:

Auch die Eigenentwicklungen werden aber keineswegs durch die rosa Brille betrachtet:

Bei den Unternehmen mit Eigenlösung fällt auf, dass sie zum Teil ganz bewusst auf die Übernahme extern vorgefertigter Maßnahmenkataloge verzichten:

Grundschutz

Immerhin sechs Anwender aus der Stichprobe verlassen sich auf das BSI-Grundschutzhandbuch und die darin enthaltenen Checklisten und Maßnahmenkataloge: Zwei große Unternehmensberatungen, eine Stadtverwaltung, ein Energieversorgungsunternehmen, eine Bank und ein Leasingunternehmen. Sie loben vor allem die Struktur, die Übersichtlichkeit, die Maßnahmenkataloge, die vorgegebene Reihenfolge konkreter Schritte und immer wieder den Checklisten-Charakter des BSI-Werkzeugs. Als Nachteil wird zum Teil der Umfang angesehen, der die Pflege schwierig und umständlich mache; ein Teilnehmer wünscht sich eine raschere Aktualisierung des Grundschutzhandbuchs bei Veränderungen.

Gewinnaussichten

Nur wenige Anwender konnten Angaben machen, wie viel Zeit sich durch ein Tool gegenüber der Notfallplanung ohne Hilfsmittel einsparen lässt. Überwiegend wird von einem Zeitvorteil von 25–50 % berichtet. Aber auch solche Aussagen gab es:

Eine der Antworten führt aber letztlich alle Rechnerei über ersparte Stunden oder Tage ad absurdum: Der IT-Sicherheitsbeauftragte einer großen Bank, die im Oktober 2002 einen Wasserschaden auch im Bereich der IT-Infrastruktur hatte, antwortete auf die Frage nach der Zeitersparnis bei der Erstellung des Handbuchs lapidar: "Unermesslich. Ohne Handbuch wäre es zum K-Fall gekommen!"