Backup für die Telekommunikation

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2003#3, Seite 16

Rubrik: Systeme und ihr Umfeld

Schlagwort: Business Continuity

Schlagwort-2: TK-Anlagen

Zusammenfassung: Ausweichkapazitäten für geschäftskritische IT-Systeme und Datenleitungen sind längst keine Seltenheit mehr. Wie steht es aber um die Sprachkommunikation im Katastrophenfall? Auch dieser Teil der Telekommunikation kennt "kalte" bis "heiße" Notfalllösungen mit verschiedenem Aufwand und Nutzen.

Autor: Von Helmut Rieckmann, Hannover

Telekommunikation und Informationsverarbeitung sind entscheidende Erfolgsfaktoren für jedes Unternehmen und bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit auch in möglichen Schadenssituationen. Seit vielen Jahren wird diesem Umstand im IT-Umfeld Rechnung getragen: Ausgefeilte Disaster-Recovery-Lösungen verhelfen Unternehmen zur Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit in möglichen Schadenssituationen. Abhängig von der IT-Durchdringung und den zeitlichen Anforderungen an die Wiederherstellung des Produktionsumfeldes gibt es verschiedene Lösungsansätze für die Realisierung einer Disaster-Recovery-Lösung. Entscheidend ist dabei die räumlich entfernte Vorhaltung der Notfallkapazitäten und der Datenkopien.

Für (Tele-)Kommunikationssysteme (Nebenstellenanlagen, engl. Private Branch Exchange, PBX) sind solche Überlegungen heute eher noch die Ausnahme. Dabei kommt der Kommunikationsfähigkeit eines Unternehmens gerade in Notsituationen eine existenzielle Bedeutung zu. Besonders die Erreichbarkeit der Mitarbeiter – und zwar unter den bekannten Rufnummern – muss sichergestellt sein, um eine wichtige Kundenschnittstelle zu erhalten.

Auch für Telekommunikation muss Disaster Recovery vom schlimmsten Fall ausgehen und Störungen am Leitungsweg sowie die Zerstörung von Infrastruktur und Technik berücksichtigen. Unabhängig von der Schadenssituation muss die gewählte Lösung auf eine äußerst schnelle Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit des betroffenen Unternehmens zielen. Dazu gibt es verschiedene Varianten, die in Eigenregie oder mithilfe eines Dienstleisters umsetzbar sind.

Ersatzsystem vor Ort

Im Notfall auf ein zugeliefertes Ersatzsystem in einem Ersatzraum vor Ort zurückzugreifen, funktioniert nur bedingt. Da heute PBX-Systeme im Normalfall sternförmig verkabelt sind, müssen in einer Notsituation die Endgeräte erst einmal auf das Ersatzsystem rangiert werden: Da man davon ausgehen muss, dass in einem Katastrophenfall der Raum mit der Telefonzentrale nicht mehr nutzbar ist, muss das Rangieren der Leitungen auch außerhalb der Telefonzentrale möglich sein (vgl. Abb.).

Diese Lösung kann meist nur für Schäden in der Technik durch Feuer oder Wasser helfen. Bei Schäden am (externen) Leitungsweg ist die Kommunikationsfähigkeit des Unternehmens dennoch betroffen, sofern keine zweite Einspeisung besteht. Abhängig von der Endgeräteanzahl vergehen zudem durch das "Umstöpseln" viele wertvolle Stunden, die in einer Notfallsituation entscheidend für den Fortbestand des Unternehmens sein können; häufig wird eine Weiterarbeit erst am nächsten Arbeitstag möglich sein.

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"Kalte" Lösung: Eine Ersatzanlage vor Ort erfordert das Umrangieren der Verkabelung (blaue Leitungen), sofern die eigentliche Telefonzentrale nicht mehr nutzbar ist.

PBX-Verbund

Ein Optimum an Sicherheit stellt sicherlich die Doppelauslegung der PBX-Systeme mit räumlicher Trennung der Systeme dar. Dieser Weg kann allerdings in der Regel nur erfolgversprechend sein, wenn die Systeme mehrere Kilometer voneinander entfernt stehen und an unterschiedlichen Ortsvermittlungsstellen aufgeschaltet werden können. Durch Doppelauslegung der PBX-Systeme inklusive ihrer Server und einen Networking-Verbund der Systeme wird dann die jederzeitige Erreichbarkeit und Kommunikationsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt. Aufgrund des Kostenrahmens und der notwendigen dezentralen Gebäudeinfrastruktur ist eine solche Realisierung jedoch meist nur Großunternehmen möglich.

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Räumlich getrennte Doppelauslegung von PBX-Systemen (Prinzip)

GSM-Lösungen

Per (unmittelbarer) GSM-Weiterschaltung lässt sich ein Hauptanschluss durch den Netzbetreiber im Notfall in ein GSM-Netz umleiten. Da hierbei (technisch bedingt) die Nebenstellennummern verloren gehen, kann der Hauptanschluss mit allen Nebenstellen jedoch nur auf ein einziges GSM-Handy geschaltet werden. Damit ist die Erreichbarkeit zwar im Prinzip gegeben, von einer echten Lösung für den Notfall kann aber nicht gesprochen werden, da sich alle Anrufe auf ein Telefon konzentrieren.

Dieser Ansatz funktioniert erst dann, wenn die Weiterschaltung auf viele Handys gleichzeitig erfolgen kann. Da dies seitens der Netzbetreiber technisch derzeit nicht möglich ist, muss die GSM-Variante um ein PBX-System und intelligente Serverdienste zur Vermittlung ergänzt werden. Eine mögliche Erweiterung kann auf drei Säulen beruhen:

Zunächst wird im Notfall auf eine stationäre Ersatzanlage zurückgegriffen: Mittels Anrufweiterschaltung des Netzbetreibers wird der betroffene Netzanschluss auf diese Notfallkonfiguration geschaltet. Diese Anlage muss anhand eines Rufnummernplans Original-Durchwahlen ihren jeweiligen Ersatzrufnummern zuordnen. Ab diesem Zeitpunkt sind zumindest einige Anschlüsse über bereits vorhandene Handys wieder erreichbar; die Durchschaltung erfolgt über die bekannten Festnetznummern.

Ein solches Notfallsystem wird in der Regel nicht in einer unternehmenseigenen Ausweichanlage betrieben, sondern von einem Dienstleister vorgehalten. Restart garantiert beispielsweise eine Umsetzung des kompletten Umschaltvorgangs binnen 15 Minuten, da für jeden Kunden eine ladbare individuelle Notfallgenerierung bereitsteht, welche die Zuordnung der Originalrufnummern zu den Ersatzrufnummern vornimmt. Die Restart-Lösung basiert auf einer Siemens HICOM 330 E, die im Standard bis zu 584 Ports (Teilnehmer) bedienen kann. Diese Ports lassen sich flexibel nutzen und können wahlweise Teilnehmer im GSM- (max. 196), Festnetz oder an internen Nebenstellen bedienen. Das System ist modular aufgebaut und kann durch Baugruppentausch schnell unterschiedlichen Anforderungen angepasst werden.

Zeitgleich können (zentral oder vom Dienstleister) eingelagerte Handys per Kurier zum Einsatz vor Ort gebracht werden, um die Kommunikation über ausreichend viele Endgeräte zu gewährleisten. Die Ersatzanlage übernimmt auch hierfür die Abfrage und Zuordnung der Rufnummern, sodass der Angerufene weiterhin unter seiner "normalen" Durchwahl erreichbar bleibt.

Letztlich ist unerheblich, ob die betroffenen Mitarbeiter neue Räumlichkeiten beziehen oder übergangsweise einen Heimarbeitsplatz nutzen. Diese Variante wird immer dann gewählt, wenn die gesamte Infrastruktur des betroffenen Unternehmens zerstört ist und geeignete Räumlichkeiten zur Weiterarbeit fehlen. Die eingesetzte Technik einer Ausweich-PBX ermöglicht flexible Anrufweiterschaltungen, sodass Mitarbeiter immer unter ihren bekannten Rufnummern erreichbar bleiben.

Optional können zur Ausweichanlage auch IT/TK-Arbeitsplätze für den Notbetrieb der Telefonzentrale vorgesehen sein, an denen ein Notfallteam mit vorbereiteter Infrastruktur alle Maßnahmen ergreifen kann, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

Wenn die Netzanbindung an das öffentliche Telefonnetz noch nutzbar ist, bietet sich als dritter Schritt der Wiederanlauf vor Ort an. Dann kann ein Ersatzsystem mit der Originalkonfiguration angeliefert und zum Einsatz gebracht werden. Das ist immer dann möglich und sinnvoll, wenn nur oder vor allem die zentrale Kommunikationstechnik von einem Störfall betroffen ist. Sofern die Kommunikation über das GSM-Netz bis zur Aktivierung des Ersatzsystems vor Ort läuft, bleibt die Kommunikationsfähigkeit des Unternehmens nahezu durchgängig gesichert.

Helmut Rieckmann ist Geschäftsführer der Restart Gesellschaft für backup-Systeme mbH ([externer Link] www.my-backup.de/restart/).