Bannworte gegen Spam

Ordnungsmerkmale

erschienen in: <kes> 2003#1, Seite 12

Rubrik: Management und Wissen

Schlagwort: Spam-Abwehr

Schlagwort-2: organisatorisch/juristisch

Zusammenfassung: Unverlangte E-Mail-Werbung ist in Deutschland rechtswidrig, innerhalb Europa kommt es auf die näheren Umstände an. Wer sich juristisch wehren will, sollte die entsprechenden Rahmenbedingungen kennen. Nicht zu verachten sind jedoch auch organisatorische Präventivmaßnahmen: Denn oft genug reicht der Arm des Gesetzes nicht weit genug oder der Übeltäter lässt sich gar nicht erst ermitteln.

Autor: Von Klaus Schräder, Freiburg

Dass Spam nicht nur nervig ist, sondern eventuell auch verboten, hat seiner Verbreitung bislang wenig Abbruch getan. Zu billig, einfach und schnell ist die Massenwerbung per E-Mail für den Versender, zu gering offenbar das Risiko, gerichtlich belangt zu werden. Das Identifizieren und Aussortieren von Werbe-E-Mails ist für den Empfänger nicht nur mit Mühen, sondern auch mit Kosten verbunden: Das beginnt bei der Netzwerklast und geht über den Aufwand für das "Sichten und Vernichten" im Extremfall bis hin zur notwendigen Neueinrichtung von Mail-Adressen nebst Änderung von Geschäftspapier, Visitenkarten und Werbematerial, wenn beispielweise wichtige Nachrichten an ein kleineres Unternehmen oder einen Freiberufler in der Firmen-Mailbox zwischen hunderten von Werbesendungen schlichtweg untergehen.

Ein Anspruch auf Schadenersatz besteht zwar bei Spam nach bisheriger Rechtsprechung (noch) nicht, wohl aber ein Unterlassungsanspruch. Dieser ist indessen nicht immer einfach durchzusetzen, weil die Täter bei Spam meist schwer zu fassen sind. Der Stellenwert der organisatorischen Prävention (siehe Kasten) und technischen Abwehr (s. S. 6) ist daher nicht zu unterschätzen.

Dennoch ist klar: Das unaufgeforderte Versenden von Werbe-E-Mails ist in Deutschland nach herrschender juristischer Meinung gegenüber Unternehmen, Gewerbetreibenden und Freiberuflern regelmäßig ein rechtswidriger Eingriff in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", bei Privatpersonen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Für die Betroffenen ergeben sich daraus Unterlassungsansprüche aus einer analogen Anwendung des Bürgerlichen Rechts nach § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bei Ansprüchen aus Eigentum) und § 823 I BGB (Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen). Unter dem Gesichtspunkt der Belästigung ist Spam zudem wettbewerbsrechtlich ein Verstoß gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 1 UWG). Diesen können aber nur Mitbewerber sowie Wettbewerbs- und Verbraucherverbände geltend machen.

Schon die erste zur E-Mail-Werbung bekannt gewordene Gerichtsentscheidung lag auf dieser Linie und ist überwiegend auf viel Zustimmung gestoßen (LG Traunstein, Beschl. v. 1998-12-18, Az.: 2 HKO 3755/97). Andere Gerichte vertreten – wenngleich zum Teil mit differenzierender Begründung – im Ergebnis den gleichen Standpunkt.

----------Anfang Textkasten----------

Organisatorische Maßnahmen gegen Spam

Vorsorgen ist besser als Klagen – das gilt besonders auch für unverlangte E-Mail-Werbung. Wer nicht aufpasst und sich auf die falsche Weise wehrt, bekommt womöglich sogar noch mehr Spam. Unternehmen sollten daher ihren Mitarbeitern klare Richtlinien zum Umgang mit Firmen-E-Mail-Adressen sowie mit eingehendem Spam an die Hand geben.

Regel Nr. 1

Geschäftliche E-Mail-Adressen sollten nur geschäftlichen Zwecken dienen. Sofern Chat, Spielen und dergleichen im Unternehmen nicht gänzlich untersagt sind (warum eigentlich nicht?), sollte man den Mitarbeiten für solche Zwecke eine eigene Adresse einrichten oder die Verwendung einer privaten Mailbox vorschreiben. Dazu bieten sich Free-Mail-Adressen an, die man einfach aufgeben kann, wenn sie durch Spam "verseucht" und unbrauchbar geworden sind.

Regel Nr. 2

Die größte Fundgrube für Adressen sind Webseiten. Oft lassen sich Adressen überdies erraten, weil sie nach dem ebenso simplen wie verbreiteten Schema "info@domain.de" gebildet sind. Wer eine solche Adresse gleichermaßen für allgemeine Anfragen aus dem Internet wie für wichtige Kommunikation mit Geschäftspartnern nutzt, kann schnell in die Verlegenheit kommen, wichtige Post wie Stecknadeln im Heuhaufen von Spam-Nachrichten suchen zu müssen. Wichtige E-Mail-Adressen sind wie Durchwahlnummern, die man auch nicht gleich jedem verrät... Auf der Homepage sollte möglichst nur eine allgemeine Kontaktadresse zu finden sein.

Regel Nr. 3

Wer von Unternehmen, mit denen er (in irgendeiner Form) in geschäftlichem Kontakt steht, keine Werbung per E-Mail wünscht, sollte das ausdrücklich (schriftlich oder anderweitig dauerhaft dokumentiert) erklären. Spätestens von da an kann jeder Verstoß verfolgt werden.

Regel Nr. 4

Niemals direkt per Antwort auf Werbe-Mails reagieren! Das gilt auch für Beschwerde-Mails und "Abbestellungen". Damit bestätigt man nur die Richtigkeit der eigenen Adresse. Keinesfalls sollte man auch Web-Links benutzen, die oft am Ende einer Werbemail zum "opt-out" angeboten werden, um weitere Werbung abzubestellen. Dies ist ein typisches Merkmal unseriöser Versender, die damit lautere Absichten vortäuschen wollen. Wer den Link benutzt, bestätigt bloß, dass die eigene Adresse echt ist, und ist damit in die Falle gegangen.

Regel Nr. 5

Spammer versuchen regelmäßig ihre Identität zu verschleiern. Absenderdomains stimmen deshalb fast nie und treffen oft den Falschen. Nicht jede E-Mail mit einer Absende-Adresse eines bekannten Free-Mail-Anbieters muss auch tatsächlich von einem seiner Kunden stammen. Beschwerden bei derartigen Anbietern können so leicht für diese zum "Spam" werden. Zumindest sollte man – entsprechendes Know-how vorausgesetzt – die E-Mail-Header auf Plausibilität prüfen, bevor man dem Provider des vermeintlichen Absenders nahelegt, seinem vermeintlichen Kunden auf die Finger zu klopfen.

Beschwerden bei fragwürdigen Providern bringen zudem nicht unbedingt Abhilfe, sondern bewirken unter Umständen sogar das Gegenteil: Letztlich profitiert ein Provider von Spam und hat deshalb nicht unbedingt ein Interesse daran, diesen zu unterbinden. Häufig ist er sogar selbst Teil des (kriminellen) Netzwerks. An den Mail-Provider sollte man sich daher nur wenden, wenn er bekanntermaßen über jeden Zweifel erhaben ist.

Regel Nr. 6

Einträge in Robinsonlisten bringen – im Gegensatz zu der bewährten Einrichtung bei der Briefwerbung – im günstigsten Fall nichts. Wer Pech hat, wird dann erst recht belästigt. Mitunter bieten Spammer sogar selbst solche Listen an, um Adressen zu sammeln.

----------Ende Textkasten----------

Fernabsatz-Regelungen

Die EG-Richtlinie (97/7/EG) über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19) regelt zwar in Artikel 10 die Beschränkung bestimmter Fernkommunikationstechniken, hat aber nicht den strengen deutschen Standard übernommen und enthält kein ausdrückliches Verbot für die Werbung per E-Mail. Sie legt allerdings nur einen Mindeststandard fest und erlaubt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht strengere Regelungen. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung im Bürgerlichen Recht bestimmt, dass weiter gehende Einschränkungen aufgrund anderer Vorschriften unberührt bleiben (§ 312c Abs. 4 BGB). Die bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung bleiben zunächst gültig, lassen sich aber gegenüber Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten nicht unbedingt durchsetzen.

EG-Richtlinie zum E-Commerce

Das Europäische Parlament hat ferner die Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juli 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr verabschiedet (ABl. L 178, S. 1). Man wollte damit eine Grundlage für Handel und Dienstleistungsangebote im Internet schaffen. Diese Richtlinie regelt auch die Informationspflichten für die kommerzielle Kommunikation. Sie muss als solche deutlich zu erkennen sein und den Auftraggeber benennen. Unerbetene Werbung per E-Mail ist zwar erlaubt, sie muss vom Nutzer beim Eingang aber eindeutig als solche zu identifizieren sein, sodass er sie ohne Weiteres löschen kann. Die Richtlinie ist in Deutschland durch das Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) in nationales Recht umgesetzt worden.

Die Mitgliedstaaten müssen ferner sicherstellen, dass Dienstanbieter regelmäßig "opt-out"-Register (Robinsonlisten) konsultieren, in die sich natürliche Personen eintragen lassen können, die keine derartigen Informationen erhalten wollen. Leider sind bereits Fälle bekannt geworden, in denen Spammer selbst solche Listen angeboten haben, um Adressen zu sammeln.

Die E-Commerce-Richtlinie schafft wiederum nur einen Mindeststandard. Den Mitgliedstaaten bleibt es gestattet, strengere Regeln aufzustellen und beispielsweise Spam als Werbeform ganz zu verbieten. Im Hinblick auf das so genannte Herkunftslandprinzip greifen solche nationalen Regeln jedoch nicht, wenn die Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat mit niedrigerem Standard kommen. Es ist deshalb fraglich, ob diese "Option" überhaupt zum Tragen kommt. Es spricht viel dafür, dass allgemein nur der durch die Richtlinie vorgesehene Standard gelten wird. Das würde allerdings das hierzulande geltende Prinzip von Verbot und Ausnahme umkehren: E-Mail-Werbung wäre danach in der Regel erlaubt, wenn sie nicht ausnahmsweise verboten oder (ausdrücklich per opt-out) als unerwünscht deklariert ist.

EG-Richtlinie zum Datenschutz

Die EG-Datenschutzrichtlinie vom 12. Juli 2002 (ABl. L 201/37), die bis zum 31. Oktober 2003 in nationales Recht umzusetzen ist, verschärft den Schutzstandard hingegen deutlich: Elektronische Post ist demnach für Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet (Art. 13 Abs. 1). Die Richtlinie schreibt somit das so genannte opt-in fest.

Im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung ist es Unternehmen und natürlichen Personen allerdings in begrenztem Umfang erlaubt (Art. 13 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie), die in diesem Zusammenhang erhaltene E-Mail-Adresse für die eigene Direktwerbung zu nutzen. Kunden, die bereits einmal etwas bei dem Unternehmen bestellt oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen haben, darf man ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Dieses Recht ist auf das Unternehmen beschränkt, das diese Informationen vom Kunden selbst erhalten hat. Und bei der Erhebung dieser Daten müssen die Kunden über deren weitere Nutzung klar und deutlich unterrichtet werden und zugleich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer E-Mail-Adresse sowohl bei ihrer Erhebung als auch bei jeder späteren Übertragung problemlos und gebührenfrei abzulehnen.

In jedem Fall verboten ist das Versenden von E-Mails zu Zwecken der Direktwerbung, wenn die Identität des Absenders verschleiert oder verheimlicht wird oder keine gültige Adresse kommuniziert wird, unter der sich die Empfänger solche Nachrichten verbitten können (Art. 13 Abs. 4). Auch diese Richtlinie erlaubt es zudem den Mitgliedstaaten, ein bereits bestehendes höheres Schutzniveau zu bewahren und strenge Regeln beizubehalten.

Anspruchsgegner

Für unzulässige E-Mail-Werbung haftet zunächst der Versender als so genannter Störer auf Unterlassung. In der Praxis zeigt sich aber, dass dieser häufig anonym agiert oder (angeblich) nicht (mehr) zu ermitteln ist. Dies betrifft besonders die Fälle, in denen der Versender eine Sub-Level-Domain benutzt.

Eine Haftung der Internet Access Provider (ISP), also derjenigen, die als "Gastgeber" Dritten ihren Server und damit die für den Verbindungsaufbau und die Nutzung des Internet erforderliche Protokollfunktionen zur Verfügung stellen, hängt von den jeweiligen Umständen ab. In manchen, nicht aber in allen Fällen kann sich der Provider auf das Haftungsprivileg des Teledienstegesetzes berufen (§ 8 Abs. 2 und § 11 TDG): Anbieter von Diensten sind für fremde Inhalte nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Kenntnis haben oder es ihnen technisch möglich und rechtlich zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.

Sobald ein solcher Diensteanbieter von Missständen Kenntnis erlangt, muss er im Rahmen des technisch Möglichen und Zumutbaren tätig werden. Er verliert sein Haftungsprivileg ferner dann, wenn er keine Vorkehrungen dafür trifft, dass die Geschädigten (E-Mail-Empfänger) den eigentlich Verantwortlichen unmittelbar verfolgen können. Dazu gehört vor allem, dass er deren vollständigen Namen beziehungsweise Firma, Gesellschaftsform und gesetzliche Vertreter sowie ihre Anschrift angeben kann und auf entsprechende Anfrage auch mitteilt.

Wer diese Auskünfte nicht erteilen kann, weil er die Daten nicht erhoben hat und Informationen über diejenigen, denen er seine Dienste zur Verfügung stellt, nicht oder nicht in ausreichender Form eingeholt und dokumentiert hat, verletzt selbst die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt. Kann oder will ein Provider einen Dritten nicht namhaft machen, richtet sich der Unterlassungsanspruch gegen ihn selbst und er haftet insofern für eigenes Verschulden. Darüber hinaus wird er, sobald er von den Vorgängen Kenntnis hat und hiergegen nicht einschreitet, als Mittäter oder Gehilfe zu behandeln sein und kann dann als Störer unmittelbar auf Unterlassung der E-Mail-Werbung in Anspruch genommen werden.

Wettbewerbsverbände

Wer den Aufwand einer gerichtlichen Auseinandersetzung scheut, kann sich an spezielle Anbieter wenden und die Werbung dorthin weiterleiten. Dort will man die Versender von Spam ausfindig machen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten. Ein solches Angebot stellt beispielsweise das Info- und Dokumentationscenter des I.D.I. – Interessenverband Deutsches Internet e. V. dar ([externer Link] www.robinsonlist.de). Der Erfolg solcher Bemühungen ist allerdings zweifelhaft.

Sinnvoller ist es meist, sich an einen seriösen Wettbewerbsverband zu wenden, beispielsweise die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs oder den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität ([externer Link] www.wettbewerbszentrale.de).

Beweislast

Wer rechtlich gegen Spam-Versender vorgehen will, muss (lediglich) nachweisen, dass er die bewusste E-Mail bekommen hat. Man sollte dementsprechend den Erhalt dokumentieren und dazu in jedem Fall einen Ausdruck machen. Die Webseiten, auf die Spammer verweisen, sollten vorsorglich ebenfalls gleich festgehalten werden (Ausdruck und/oder Screenshot und Speichern der Seite), da die beworbenen Seiten oft nur kurze Zeit existieren. Die Beweislast für ein behauptetes Einverständnis des Empfängers für das Übersenden einer E-Mail trägt hingegen ihr Absender.

Klaus Schräder ist Rechtsanwalt in Freiburg und Mitherausgeber des Loseblattwerks "Wettbewerbs-Recht & Werbung" ([externer Link] www.wettbewerbsberater.de).

Literatur

[1]
BMJ / juris GmbH, Gesetze im Internet, [externer Link] http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/
[2]
Uni Münster Netlaw Library, Entscheidungssammlung, Gesetze, [externer Link] www.jura.uni-muenster.de/netlaw/
[3]
Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, [externer Link] www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/EGG.pdf