Management und Wissen

Outsourcing

Kernprozesse brauchen Insourcing

Von Claus Michael Sattler, Bochum

Outsourcing und seine positiven Synergieeffekte zu nutzen, kann sinnvoll sein. Es stellt sich jedoch die Frage, für welche (Teil-)Projekte man solche Dienstleistungen nutzen möchte und vor allem, welchen – möglicherweise riskanten – Einfluss dieser Einsatz auf eigene Kerngeschäftsprozesse hat.

Outsourcing von Hardware, Software oder Dienstleistungen ist nicht immer so preiswert wie es die verschiedenen Anbieter glaubhaft machen wollen. Selbstverständlich haben Outsourcing-Partner ihre Daseinsberechtigung und realisieren auch die von ihnen erwarteten Synergieeffekte. Outsourcing eignet sich sehr gut für Standardlösungen, solange die Kerngeschäftsprozesse eines Unternehmens durch das Angebot des Dienstleisters nicht negativ beeinflusst werden. Im Rahmen seiner Kerngeschäftsprozesse von der Verfügbarkeit, dem Service und der fachlichen Kompetenz eines Partners abzuhängen, kann für ein Unternehmen unter widrigen Umständen jedoch existenzbedrohend sein.

Als Outsourcing gilt dabei jegliche Form der Dienstleistung, die nicht dem eigenen Unternehmen oder der Unternehmensgruppe angehörige Dienstleister im Auftrag durchführen – egal ob im eigenen Hause oder an einem anderen Ort. Outsourcing ist also sowohl das Betreiben eines Betriebssystems und einer Applikation in einem nicht zu meinem Unternehmen gehörenden Rechenzentrum (Hardware-Hosting) als auch das Anpassen von Standardapplikationen. Das Outsourcing von Teilprojekten wird neuerdings bisweilen Tasksourcing genannt.

Unter Insourcing verstehe ich hingegen das Kündigen von Outsourcing-Verträgen und das gleichzeitige Zurückholen oder Neuaufbauen von Leistungen, Wissen und Fähigkeiten rund um die vormals ausgegliederten Systeme beziehungsweise Dienstleistungen. Wo noch keine externe Vergabe stattgefunden hat, kann Insourcing natürlich auch für das Im-Hause-Halten von Hardware, Know-how und Services stehen.

Gewusst wie...

Das Problem von Outsourcing ist, dass selbst schwarz auf weiß festgehaltene Service-Level-Agreements (SLAs) vom Outsourcing-Dienstleister häufig anders gelesen werden, als der Auftraggeber sie gemeint hat. Dessen Erwartungen sind bei komplexen Outsourcing-Projekten meist höher als beschrieben. Hierdurch entstehen Erwartungsdifferenzen, die zu Kostenerhöhungen durch Nachverhandlungen auf beiden Seiten führen.

Für ein Produktionsunternehmen von Maschinenteilen ist das Outsourcing von Reinigungsarbeiten sicherlich kein Eingriff in die Kernprozesse des Unternehmens. Für ein Vertriebsunternehmen kann sich jedoch das Outsourcing von Vertriebsaufgaben an freie Handelsvertreter sehr schnell zu einer existenzbedrohenden Situation auswachsen: nämlich dann, wenn Vertreter den Vertrag kündigen und – mehr oder weniger offenkundig – mit Kundenadressen zu einem Mitbewerber abwandern.

Als Befürworter von Insourcing ist es mein Bestreben, die Kerngeschäftsprozesse des Unternehmens so mit Kompetenz auszustatten, dass man jederzeit durch Anpassung der Prozesse flexibel auf Marktentwicklungen und -bewegungen reagieren kann. Die Logistik ist ein bedeutender Kernprozess im Hause RZ-Zimmermann (besser bekannt als Zimbo). Anhand dieses Beispieles möchte ich darstellen, warum Insourcing die richtige Strategie für unser Unternehmen ist.

Da es sich bei unseren Waren um Frischeprodukte handelt, setzen wir eine selbstentwickelte Warenwirtschaft, Lagerverwaltung und Transportlogistiklösung basierend auf AS/400-Systemen ein. Als Finanz- und Controllingapplikation wird DCW genutzt. In diesem Fall spiegelt die Informationstechnik gut 80 % der Geschäftsprozesse des Gesamtunternehmens wider.

Im letzten Jahr hat sich die Frage gestellt, ob der Logistikteil unserer Applikationen neu entwickelt oder ob eine Standardlösung am Markt gekauft werden soll, die man durch Customizing an unsere Geschäftsprozesse angepasst hätte.

Eine Standardlösung hat den großen Vorteil, dass viele Prozessschritte bereits in der eingekauften Applikation enthalten sind und somit eine Einführung relativ schnell erfolgen könnte. Hierzu wäre es notwendig gewesen, unsere Entwicklermannschaft auf die Programmiersprache dieser Standardapplikation zu schulen. Das Know-how dieses Teams liegt jedoch bei einer völlig anderen Programmiersprache. Somit hätte neben der Schulung gleichzeitig ein erheblicher Wissenstransfer von außen erfolgen müssen. Daher hätte man Entscheidungskompetenzen über den Inhalt der Schulungen an einen Dienstleister übergeben müssen.

In der Theorie funktioniert das selbstverständlich immer. In vielen Projekten mussten wir jedoch lernen, dass aufgrund des Zeitdrucks schlussendlich der Dienstleister Entwickleraufgaben in erheblichem Umfang übernommen hätte. Das Projekt wäre sicherlich gut abgeschlossen und an den Systembetrieb funktionierend übergeben worden. Der große Nachteil liegt jedoch darin, dass das Wissen um die Geschäftsprozesse, die Programmierung der Systeme und die Parametrierung bei den Mitarbeitern des Outsourcing-Partners gelegen hätte. Auf das Beschäftigungsverhältnis dieser Wissensträger hätte unserer Unternehmen de jure und de facto keinen Einfluss gehabt.

Der Weggang eines Mitarbeiters beim Dienstleister bedeutet in einem solchen Fall gleichzeitig den Weggang von Projekt-Know-how. In diesem Moment beginnt eine unaufhörliche Kostenschraube für den Auftraggeber: Neue Mitarbeiter beim Outsourcing-Partner müssen eingearbeitet werden. Auf Auftraggeberseite ist es notwendig, die Projektleitung bei der Einarbeitung der neuen Mitarbeiter des Dienstleisters zu involvieren. Dies bedeutet im Interesse des Projektes erneuten Aufwand und weitere Kosten. Geradezu katastrophale Auswirkung hätte eine Insolvenz des Dienstleisters: Bei der derzeitigen Situation am IT-Markt wären die Folgen unabsehbar.

Flexibilität ist Trumpf

Auf den zweiten Blick kann daher ein bedingungsloses Insourcing Kosten minimieren, gerade bei Projekten, welche die Kerngeschäftsprozesse eines Unternehmens betreffen. Selbstverständlich kann es auch hier zur Abwanderung von Personal kommen. Dennoch hat aber bei Insourcing das Unternehmen unmittelbaren Zugriff auf Wissen und Funktion der Angestellten. Die Kontrolle über das Beschäftigungsverhältnis der Wissensträger verbleibt dort, wo ihr Weggang schmerzliche Folgen hätte.

Überdies ist die Anpassung und Parametrierung vorhandener Software an geänderte Marktbedürfnisse schneller möglich als bei einem Outsourcing-Modell. Die Prioritätenverschiebung in Projekten funktioniert in direkten Anstellungsverhältnissen schlicht und ergreifend einfacher. Bei einem outgesourcten Projekt müsste man erst einmal feststellen, ob die Wissensträger für einen kurzfristigen Einsatz im Projekt verfügbar wären oder nicht. Just an dieser Stelle kann Outsourcing durch Zeitverzug zum marktentscheidenden Nachteil werden.

War bisher immer von IT-Kernprozessen die Rede, so soll auch der Anwender nicht vergessen werden. Die Schnittstelle zwischen Systemen und Anwendern (User-Helpdesk) kann man nach der Überzeugung eines Insourcers nicht sinnvoll als Dienstleistung nach außen geben. Unterstützt die IT die Kerngeschäftsprozesse, so unterstützt das Helpdesk den Einsatz der IT für die selbigen. Das User-Helpdesk muss daher beide Seiten kennen: sowohl die Anforderungen der Geschäftsprozesse, als auch die Bedürfnisse der Anwender.

Auch Insourcing hat seine Tücken. So muss man ständig die Gefahr des personellen IT-Wasserkopfes im Auge behalten. Die Strategie bei Zimbo: Die Kompetenzträger der Kerngeschäftsprozesse werden aufgebaut und im Unternehmen gehalten. Zeitlicher Mehrbedarf bei so genannten "Indianeraufgaben" wird auch hier durch befristet angeheuerte Mitarbeiter abgedeckt. Berater haben die Aufgabe, ihre Kompetenz im Rahmen von Coaching auf unsere Mitarbeiter zu übertragen.

Schlussendlich bleibt neben der Kompetenztransparenz die Frage nach den Kosten. Ein stringentes Kostenmanagement auf IT-Managementseite und ein ergebnisorientiertes Kostenbewusstsein der Fachabteilungen und ihrer Mitarbeiter kann von der Unternehmensgruppe bis zu den Fachabteilungen eine vollständige Transparenz der Investitions- und Lebenszyklus-Kosten garantieren. Zur Absicherung seiner Geschäftsprozesse hat sich Zimbo – bezogen auf die Kerngeschäftsprozesse – für das Insourcing entschieden.

Claus Michael Sattler ist Chief Information Officer (CIO) der Zimmermann-ZIMBO-Gruppe.

© SecuMedia-Verlags-GmbH, D-55205 Ingelheim,
KES 2002/2, Seite 50