Editorial

Porträtfoto Norbert Luckhardt

Nachbars Gartentor

Komisches Titelbild?! Was hat das Tor zu Nachbars Garten mit IT-Sicherheit gemeinsam?
Seinen Werdegang: Irgendwann hat da nämlich mal jemand durchgesetzt, dass der Garten hinterm Haus eingezäunt wird. Das war sinnvoll, weil in letzter Zeit öfter die Kirschbäume geplündert wurden und die Leute von nebenan mit ihren vierbeinigen Freunden den Rasen dort zum Hundeklo erklärt hatten.

Nun ist Nachbars Haus aber eine Wohnanlage mit etlichen Parteien – also musste ein Systemschloss her für die Tür im Zaun zum Garten (schon wirds kompliziert), damit reinkommt, wer soll, und der Rest draußen bleiben muss. Die Mieter bekamen einen zusätzlichen Schlüssel – weil der Hausbesitzer beim Schlüsseldienst ein neues Hightech-Zylindersystem gesehen hat, das ihn mächtig beeindruckte und das vielleicht nächstes Jahr die veraltete Hausschließanlage ersetzen könnte. Bis für jeden Mieter ein Schlüssel geordert, hergestellt und ausgeliefert war, dauerte es etwas (zusätzliche Gartenschlüssel für die Familie gibts im Fachhandel gegen Berechtigungsnachweis für 20 € – Lieferzeit 14 Tage). Für die "schlosslose" Übergangszeit brauchte das nagelneue Gartentor im nagelneuen Zaun nun eine Klinke – die war eigentlich nicht vorgesehen, denn man sollte ja nur mit einem Schlüssel reinkommen... das Loch für die Klinke ist heute noch da.

Denn kaum war sie weg und das Schloss drin, gabs ein neues Problem: Die Mülltonnen stehen doch im Garten! Wie kommt denn jetzt die Müllabfuhr... ? Die Jungs von der Kommune können natürlich keine hundert Schlüssel mitschleppen, aber sie haben immer einen Dreikant in der Tasche, für abgeschlossene Papiercontainer und so – das ist ein Industriestandard! Flugs bekam das Gartentor einen zweiten Schließzylinder – mit Dreikant (gibts im Baumarkt für 2 € zum Mitnehmen).

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Für den, der das System Stück für Stück "implementiert" hat, ergab sich stets ein Schritt logisch aus dem anderen. Alle Probleme sind gelöst.

Ob aber das Ergebnis ohne die Vorgeschichte auch noch logisch ist, sieht oft nur ein unbefangener Beobachter. Er wird sich fragen, warum ein rechtmäßiger Benutzer mit komplizierter Technik arbeiten muss, während für den Erbringer einer gering geachteten Dienstleistung alles beim Alten bleibt. Erst jemand, der nicht nur auf die faszinierende Schließtechnik guckt, sieht, dass die Mieter nie abschließen und man das Tor daher prima "aufhakeln" kann (oder man bringt einfach eine Klinke mit). Wer Schlösser doof findet, kommt vielleicht sogar auf den Gedanken, dass ein 1,20 Meter hoher Holzzaun eigentlich ziemlich leicht zu überspringen ist.

So gesehen erzählt unser Titelbild eine Geschichte über Penetration Tests – oder über Hackerangriffe. Je nachdem, was zuerst kommt.

© SecuMedia-Verlags-GmbH, D-55205 Ingelheim,
KES 2002/2, Seite 3