Management und Wissen

Telekommunikationsüberwachung

Die TKÜV und ihr Umfeld

Von Jens Eckhardt, Frankfurt/Main

Anlässlich des Entwurfs einer Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV-E) hat sich massive Kritik erhoben. Teilweise geht berechtigte Kritik fehl, weil sie den rechtlichen Hintergrund verkennt. Aber der TKÜV-E bleibt dennoch zu kritisieren, selbst nach Vorlage eines revidierten Entwurfs im September 2001.

Die aktuelle Diskussion um die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) begann mit der Vorlage eines TKÜV-Entwurfs durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Januar 2001. Ihm ging bereits ein Entwurf der (vormaligen) Bundesregierung aus dem Jahr 1998 voraus, die diesen in Anbetracht massiver Kritik und anstehender Bundestagswahlen jedoch wieder zurückgezogen hatte.

Erwartungsgemäß erhob sich auch an dem TKÜV-E 2001/1 massive Kritik vor allem seitens der betroffenen Unternehmen und ihrer Interessenverbände (vgl. KES 2001/2, S. 6 und KES 2001/4, S. 63) sowie von Datenschützern. Vor dem Hintergrund dieser harschen Kritik fand im April 2001 eine Anhörung durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) statt. In Anbetracht der dort geäußerten Kritik wurde der TKÜV-E durch das BMWi überarbeitet und ein revidierter Entwurf erstellt, der den anderen Ministerien zur Stellungnahme zugeleitet worden ist.

Bei anschließenden Treffen von Vertretern des BMWi, der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) sowie der Interessenverbände im Juni und Juli 2001 wurde auf Betreiben der Verbände vor allem die Problematik der technischen Realisierung des TKÜV-E diskutiert. Maßgeblich ging es dabei um die Frage, welche Kosten auf die betroffenen Unternehmen, vor allem die Internetdiensteanbieter, in Anbetracht der Tatsache zukommen, dass nicht klar ist, ob die erforderlichen Überwachungseinrichtungen überhaupt verfügbar sein werden, beziehungsweise welche Kosten für ihre Entwicklung entstehen könnten. Zu dieser Fragestellung hat das BMWi eine Kostenstudie in Auftrag gegeben.

Mit Datum vom 6. September 2001 hat das BMWi den revidierten TKÜV-E 2001/9 veröffentlicht. Das BMWi wollte ursprünglich das gesamte Verfahren noch dieses Jahr beenden, damit die TKÜV noch 2001 erlassen werden kann. In Anbetracht der jüngst erfolgten Veröffentlichung und der nach wie vor bestehenden Kritikpunkte auch am TKÜV-E 2001/9 dürfte in diesem Jahr ein sachgerechter und ausgewogener TKÜV-E nur schwer zu realisieren sein.

Regelungsrahmen

Zum Verständnis des Regelungsrahmens, in den die TKÜV einzuordnen ist, müssen zunächst zwei Regelungskomplexe voneinander unterschieden werden: Einerseits sind dies die Ermittlungs- und Überwachungsbestimmungen und auf der anderen Seite die telekommunikationsrechtlichen Bestimmungen.

Ausschließlich der erste Komplex regelt in den §§ 100a, 100b Strafprozessordnung (StPO), den §§ 39 ff Außenwirtschaftgesetz (AWG) und dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (G10-G), in wessen Fernmeldegeheimnis (durch Artikel 10 GG geschützt) eingegriffen werden darf (Überwachter) und wer diese Überwachung im konkreten Überwachungsfall zu ermöglichen hat (Ermöglichungs-Verpflichteter). Der telekommunikationsrechtliche Regelungskomplex, dem auch die TKÜV zuzuordnen ist, regelt hingegen allein die technische Umsetzung der Überwachung. Er legt fest, wer die technischen Einrichtungen für gesetzlich vorgesehene Maßnahmen zur Überwachung zu gestalten und vorzuhalten sowie die Kosten hierfür zu tragen hat.

Damit zeigt sich, dass die Bestimmungen der StPO, des AWG und des G 10-G die den vorliegenden Problemkreis rechtlich dominierenden Vorschriften sind, während sich die telekommunikationsrechtlichen Bestimmungen unter diesem Gesichtspunkt als Ausführungsbestimmungen dieser Vorgaben darstellen.In beiden Regelungskomplexen geht es nicht um die Überwachung eines Telekommunikationsmediums als solches, sondern um seine Erfassung für den Fall der Nutzung durch den zu Überwachenden.

Die Überwachungsregelungen der StPO, des AWG und des G 10-G knüpfen an den Begriff "Telekommunikation" an. Dieser wird aus ermittlungsspezifischem Interesse heraus weit ausgelegt. Daneben umfasst auch die Definition des Begriffs in § 3 Nr. 16 und 17 Telekommunikationsgesetz (TKG) – dem gesetzgeberischen Willen entsprechend – jede denkbare technische Variante der Telekommunikation und lässt keine Beschränkung auf eine bestimmte Technologie erkennen. Die Bestimmungen der StPO, des AWG und des G 10-G erfassen damit jede Art von Nachrichteninhalte ohne Rücksicht auf die zugrunde liegende Übertragungstechnik.

Die über Datennetze abgewickelte Kommunikation kann somit unabhängig von einer TKÜV zum Gegenstand einer Überwachungsanordnung gemacht werden. Eine solche Überwachung hat zu ermöglichen, wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt. Diese Verpflichtung besteht durch den Bezug auf die Telekommunikation unabhängig von der Technologie, die dem Telekommunikationsdienst zugrunde liegt. Durch das Begleitgesetz zum TKG wurde der Kreis der Verpflichteten 1997 bewusst erweitert, um die Telekommunikation innerhalb von Corporate Networks, Nebenstellenanlagen in Hotels, Krankenhäusern und Nebenstellenanlagen in Betrieben und Behörden, soweit sie (auch) zur privaten Nutzung bereit gestellt werden, in die Überwachbarkeit einzubeziehen.

Hinsichtlich der Festlegung, ob und in welchem Umfang der zur Ermöglichung verpflichtete auch die technischen und organisatorischen Vorkehrungen zur Umsetzung einer Überwachungsmaßnahme zu treffen hat, verweisen die StPO, das AWG und das G 10-G auf § 88 TKG und die auf seiner Grundlage erlassene Rechtsverordnung, die TKÜV. § 88 TKG nimmt hierzu den Betreiber der Telekommunikationsanlage in die Pflicht. Dies ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Kontrolle über die Telekommunikationsanlage hat (§ 3 Nr. 1, 2 TKG). Aus § 88 TKG ergibt sich aber auch, dass diese Pflicht nur denjenigen Betreiber trifft, der nach anderen Gesetzen verpflichtet ist, die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen. Damit trifft diese Pflicht denjenigen Betreiber, mittels dessen Telekommunikationsanlage – nicht notwendigerweise durch ihn selbst – geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden.

Weil dieser auch die Kosten der technischen Umsetzung zu tragen hat (§ 88 Abs. 1 TKG), ist das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die wesentlichste Regelung. Die technische Gestaltung bedarf im Übrigen der Genehmigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP); ohne sie darf die Telekommunikationsanlage nicht in Betrieb genommen werden.

§ 88 TKG enthält ebenfalls die Rechtsgrundlage zum Erlass der TKÜV einschließlich der Ermächtigung, darin Ausnahmen von der Verpflichtung zur Gestaltung und Vorhaltung von technischen Einrichtungen vorzusehen. Die TKÜV soll vor allem die Anforderungen an die technische Gestaltung der Einrichtungen und die organisatorische Umsetzung, das Genehmigungs- und Abnahmeverfahren und die Ausnahmen regeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich jede in dem vorliegenden TKÜV-E getroffene Regelung auch im Rahmen dieser Ermächtigung hält, was aber die Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Regelung ist.

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Abnahme und Genehmigungsverfahren

Die sich aus dem TKG und der zukünftigen TKÜV ergebenden Verpflichtungen sind für die betroffenen Betreiber bereits in einem frühen Stadium zu beachten. Aus § 88 TKG ergibt sich, dass die technische Gestaltung der Einrichtungen zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen der Genehmigung der RegTP bedarf und der Betrieb der Telekommunikationsanlage erst aufgenommen werden darf, wenn die technische Gestaltung genehmigt und zusätzlich die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen der RegTP im Rahmen einer Abnahme nachgewiesen sind. Die zu erfüllenden Anforderungen sowie das Genehmigungs- und Abnahmeverfahren werden in der TKÜV geregelt.

Zunächst erfolgt auf Antrag die Genehmigung der technischen Gestaltung und danach im Rahmen der Abnahme die Überprüfung, ob die erstellten technischen Einrichtungen der Genehmigung entsprechen. Für diese Verfahren sollten entsprechende Zeitspannen eingeplant werden, zumal die sechswöchigen Entscheidungsfristen nur Soll-Bestimmungen sind und die Bearbeitung der gegen Ende einer "Antragswelle" eingehenden Anträge erheblich länger dauern wird.

Bedeutsam ist hinsichtlich der Genehmigung vor allem die Regelung in § 18 Abs. 3 S. 3 TKÜV-E, wonach zur Vereinfachung des Genehmigungsvefahrens auf ein von der RegTP geprüftes Rahmenkonzept des Herstellers der Telekommunikationsanlage Bezug genommen werden kann. Im Hinblick hierauf sollten die Hersteller, insbesondere der Infrastruktur für Datennetze, frühzeitig in die Koordination eines Rahmenkonzeptes mit der RegTP eintreten. Ein Vorsprung hinsichtlich eines entsprechenden Rahmenkonzepts bietet Möglichkeiten zur Neukunden-Gewinnung und stellt eine vertrauensbildende Kundenbindungsmaßnahme dar.

In den Verträgen mit den Herstellern der Telekommunikationsanlagen sollte man Kunde darauf achten, dass diese Regelungen über geprüfte Rahmenkonzepte enthalten sind. Als darüber hinausgehendes Leistungsangebot sollte die Übernahme von organisatorischen Umsetzungspflichten durch den Hersteller in Betracht gezogen werden. Es werden hierbei vertragliche Regelungen über die Haftung und die Vergütung genau zu bedenken sein.

Diese Bestimmungen kommen sinngemäß bei jeder Änderung zur Anwendung, die Einfluss auf die Überwachungsfunktionen hat. Im Zweifelsfall wird der Betroffene selbst bei geringfügigen Modifikationen davon auszugehen haben, dass diese die Überwachungsfunktionen beeinflussen. Das sollte in den Herstellerverträgen berücksichtigt werden, um im beiderseitigen Interesse nachträgliche Unklarheiten zu vermeiden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, wer für das Genehmigungs- und Abnahmeverfahren zuständig ist, wenn eine Änderung der Beseitigung eines bestehenden Fehlers dient.

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Die um die TKÜV geführte Diskussion hat aufgrund der Vorgaben der StPO, des AWG und des G 10-G davon auszugehen, dass im konkreten Einzelfall jede Individualkommunikation überwachbar sein musS. Bei den Fragen, wer die technischen Vorkehrungen zu treffen hat und wer die Kosten dafür zu tragen hat, eröffnet sich der Gestaltungsspielraum der TKÜV. Sie kann zwar aufgrund der Vorgabe des TKG nicht von der Kostenlast als solcher, wohl aber von der Pflicht zur Gestaltung und Vorhaltung technischer Einrichtungen befreien (§ 88 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 TKG), womit dann auch kein Kosten entstehen.

Dabei verpflichten die beiden Regelungskomplexe verschiedene Personen: Auch wenn die Eigenschaft "Erbringer von Telekommunikationsdiensten" (StPO, AWG, G 10-G) häufig mit "Betreiber der Telekommunikationsanlage" (TKG, TKÜV) zusammentrifft, ist das dennoch nicht zwingend.

StPO, AWG, G 10-G § 88 TKG TKÜV-E
Wesentlicher Inhalt (Überblick) • Wessen Telekommunikation darf unter welchen Voraussetzung überwacht werden? (Überwachter)
• Wer hat diese Überwachung zu ermöglichen? (Umsetzungs-Verpflichteter)
• Bestimmung der Pflicht zur Gestaltung und Vorhaltung technischer und organisatorischer Einrichtungen zur Überwachung
• Wer hat diese zu gestalten und vorzuhalten? (Umsetzungs-Verpflichteter)
• Kostentragungspflicht
• Rechtsgrundlage zum Erlass der TKÜV
• Genehmigungs- und Abnahmeerfordernis
• Konkretisierung der Vorgaben aus § 88 TKG
• Ausnahmen von den Verpflichtungen des § 88 TKG
• Genehmigungs- und Abnahmeverfahren
Verpflichteter Geschäftsmäßiger Erbringer von Telekommunikationsdiensten
und der daran Mitwirkende
Betreiber von Telekommunikationsanlagen (mittels derer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden)
• Betreiber von Telekommunikationsanlagen im Sinn des § 88 TKG
• Sonderregelung in § 2 TKÜV-E für Betreiber von Telekommunikationsanlagen oder Teilen von Telekommunikationsanlagen, mittels derer keine Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit (§ 3 Nr. 19 TKG) angeboten werden
Regelungsziel Erkenntnis- und Beweismittelgewinnung
Technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen
Konkretisierung der Rahmenvorgaben des § 88 TKG
Hauptkritik (Überblick) Umfang des Straftatenkatalogs
Kostenabwälzung auf den Betreiber
• Unnötig kostenintensive Regelungen
• Zu geringfügige Ausnahmeregelungen
• Regelungen, die von der Rechtsgrundlage (§ 88 TKG) nicht mehr gedeckt sind
Tangierte Grundrechte Art. 10 GG (Fernmeldegeheimnis)
Art. 12 GG (Berufsfreiheit)
Art. 14 GG (Eigentum)
Art. 80 GG (Erlass von Rechtverordnungen)
Art. 12 GG (Berufsfreiheit)
Art. 14 GG (Eigentum)
Art. 80 GG (Erlass von Rechtverordnungen)

Ausnahmeregelungen

§ 2 TKÜV-E 2001/1 befreite Betreiber von Telekommunikationsanlagen, mittels derer keine Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit erbracht werden, von der Pflicht, technische Einrichtungen vorzuhalten und vorbereitende organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Mit dem TKÜV-E 9/2001 hat sich in § 2 praktisch nichts geändert, er verzichtet jedoch darauf, einzelne Bestimmungen des TKÜV-E 2001/9 für sinngemäß anwendbar zu erklären, wie es der Vorgängerentwurf getan hat. Das soll laut Begründung zum TKÜV-E mehr als 95 % aller Betreiber ausnehmen, insbesondere Betreiber von Nebenstellenanlagen, unternehmensinterner Telekommunikationsanlagen und Corporate Networks. Auch für sie gelten aber dennoch die übrigen, sich unmittelbar aus § 88 TKG ergebenden Verpflichtungen, somit auch die Pflicht zur Gestaltung technischer Einrichtungen auf eigene Kosten.

Während der TKÜV-E 2001/1 Betreiber von Telekommunikationsanlagen mit nicht mehr als 250 Endnutzern von der Gestaltungs- und Vorhaltungspflicht ausnahm, befreit TKÜV-E 2001/9 Anlagen mit nicht mehr als 1 000 Endnutzern (§ 2 Abs. 2 Nr. 5), jedoch nur von der Pflicht zur Vorhaltung, nicht aber von der Pflicht zur Gestaltung. Dies gilt auch für die weiteren in § 2 Nr. 1 bis 3 genannten Ausnahmefälle.

§ 21 TKÜV-E 2001/9 sieht auf Antrag Erleichterungen bei der Erfüllung der Pflichten für Betreiber von Telekommunikationsanlagen vor, an die nicht mehr als 10 000 Teilnehmer angeschlossen sind. Der neue TKÜV-E steigert somit durch die Erhöhung der maximal angeschlossen Nutzer in den Ausnahmen die Anzahl der von den genannten Pflichten befreiten Unternehmen (1 000 gegenüber 250 bzw. 10 000 gegenüber 2500). Hinsichtlich des Umfangs der Befreiung geht er jedoch einen Schritt zurück (gegenüber § 24 Abs. 1 S. 2 TKÜV-E 2001/1).

Darüber hinaus ist jedoch zu beachten, dass auch die derart privilegierten Unternehmen stets eine Überwachung unter den Voraussetzungen der Bestimmungen der StPO, des AWG und des G 10-G zu ermöglichen haben.

Kritik am TKÜV-E

Der Auslöser für die massive Kritik seitens der betroffenen Unternehmen ist die sich ergebende Kostenlast. Vor dem Hintergrund des dargestellten rechtlichen Regelungsrahmens ist bei der Kritik an den Kosten jedoch zu unterscheiden: Soweit es sich um Kritik an der grundsätzlichen Abwälzung der Kosten auf die Betreiber handelt, ist diese ausschließlich am TKG festzumachen (§ 88 Abs. 1), das die grundsätzliche Kostentragungspflicht regelt. Hierhat die TKÜV keinen Spielraum. Kritik unmittelbar gegen den TKÜV-E zu richten, ist nur angebracht, soweit sich aus der TKÜV kostenverursachende oder -intensivierende Regelungen ergeben, für die kostengünstigere Alternativen bestehen oder die nicht durch § 88 TKG abgedeckt sind. Zudem ist die Ausgestaltung der durch § 88 TKG vorgegebenen Möglichkeit zu Ausnahmen ebenfalls anhand des TKÜV-E zu diskutieren.

Hinter der Kritik an der generellen Kostenabwälzung steht das Argument, dass es sich bei der Sicherstellung der technischen Voraussetzungen zur Ermittlung und Beweismittelgewinnung um Aufgaben des Staates handelt, die dieser im Interesse der Allgemeinheit wahrnimmt, und daher die Kosten durch den Staat zu tragen seien. Ein entscheidendes Argument gegen die grundsätzliche Kostenabwälzung ist derzeit auch, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über diese Kostenabwälzung getroffen hat, ohne Nachweis oder Untersuchung darüber, ob die Überwachungsmöglichkeiten, deren Kosten von den Unternehmen getragen werden sollen, überhaupt verwertbare Erfolge erzielen.

Da durch diese Regelung den Unternehmen enorme Kosten entstehen werden, ist mangels gesicherter Kenntnis der für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen die Rechtmäßigkeit der generellen Kostenabwälzung auf die Unternehmen zu verneinen. Selbst wenn von einer vollständigen Kostenbefreiung der Unternehmen nicht ausgegangen werden könnte, so wäre eine festgestellte und bewertete Tatsachengrundlage für eine Kostenaufteilung erforderlich, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.

Solange diese Grundsatzentscheidung nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage getroffen werden kann, sollte der Verordnungsgeber nicht sehenden Auges für die Betroffenen durch eine TKÜV enorme, unter Umständen ruinöse Kosten verursachen. Die sich daraus ergebenden Kostenfolgen wären dann allein schon deshalb rechtswidrig, weil die Rechtsgrundlage (§ 88 TKG) nicht verfassungskonform wäre. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, durch keine gesetzgeberische oder exekutive Maßnahme Kosten zu erzeugen, mit deren Rechtswidrigkeit man schon jetzt rechnen muss.

Ein sich aus dem TKÜV-E ergebender kostensteigernder Mangel ist zudem die fehlende Erkennbarkeit einer europäischen und internationalen Harmonisierung der technischen Regelungen. Der TKÜV-E könnte deutsche "Insellösungen" erforderlich machen. Damit stiegen die Kosten für die technischen Vorkehrungen, weil entsprechende Geräte speziell für den deutschen Markt entwickelt werden müssten. Der TKÜV-E sieht des Weiteren im Grundsatz vor, dass – abgesehen von Ausnahmen – jeder Verpflichtete die Überwachungsgeräte selbst vorhalten muss und sich nicht erst im Fall einer Überwachungsanordnung aus einem Gerätepark bedienen darf. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus § 88 TKG. Es sind auf der Grundlage des § 88 TKG andere, flexiblere und damit weniger kostenintensive Regelungen möglich.

Noch ein Kritikpunkt hat an der Ausgestaltung der Ausnahmemöglichkeiten durch den TKÜV-E anzusetzen: Während die Befreiung der Betreiber nachvollziehbar ist, durch deren Telekommunikationsanlagen keine Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit angeboten werden, erscheint das Anknüpfen von Ausnahmen an die Versorgung einer bestimmten Maximalzahl von Endnutzern rein willkürlich. Die Begründungen zu den Entwürfen enthalten keine Anhaltspunkte für die Wahl dieser Zahlen. Zwar dürfte der TKÜV-E 2001/9 durch die Erweiterung des Adressatenkreises dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eher genügen als der vorherige Entwurf. Da jedoch nun überhaupt kein Betreiber mehr auch von der Pflicht zur Gestaltung technischer Einrichtungen befreit ist, ergeben sich dennoch erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des TKÜV-E 2001/9.

Außerdem warnten Kritiker, dass es auf der Grundlage des TKÜV-E zu einer "Mehrfach-Überwachung" derselben Telekommunikation kommen könne. Die noch geltende Fernmeldeüberwachungsverordnung (FÜV) knüpfe die Überwachung an den Anschluss als technische (Ursprungs- oder Ziel-) Einrichtung. Der TKÜV-E nehme hingegen die Identifikation der zu überwachenden Telekommunikation anhand einer Kennung vor, also einer eindeutigen (Ursprungs- oder Ziel-) Adresse. Die Identifikation erfolge also unabhängig vom genutzten Anschluss oder Endgerät. So seien beispielsweise auch Internet-Service-Provider erfasst, unabhängig davon, ob sie ihrem Nutzer einen Netzzugang zur Verfügung stellen oder nicht. Jede Telekommunikation erfolgt aber letztlich über irgendeinen Netzzugang, sodass ein zusätzliches Verpflichten derjenigen, die Dienstleistungen ohne Netzzugang anbieten, nicht erforderlich erscheint.

Bestärkt wird diese Kritik dadurch, dass dem TKÜV-E die Übertragung des Systems der Überwachung der klassischen Sprachtelefonie auf Datennetze, insbesondere das Internet, zugrunde liegt. Es wird allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese eine paket-vermittelte Übertragungstechnik nutzen, weshalb der Nachrichteninhalt nur am Ausgangs- und am Endpunkt "in einem Stück" vorliegt. Auch von daher ist eine Überwachung, anders als bei Ende-zu-Ende-Verbindungen der klassischen Telefone, nur am Ausgangs- oder Endpunkt sinnvoll.

Dieser Forderung versucht der TKÜV-E 2001/9 nun wohl durch seine Ausnahmeregelungen in § 2 nachzukommen. Da dieser Paragraph die betroffenen Betreiber jedoch nicht von der Pflicht zur Gestaltung technischer Einrichtungen befreit, könnten den Betroffenen dennoch Kosten entstehen, die aufgrund der unvermeidbaren Überwachung eines "übergeordneten" Dienstes nicht erforderlich sind.

Rechtswidrig sind die Paragraphen § 4 Nr. 15 und § 7 TKÜV-E 2001/9, weil sie den Umfang definieren, mit dem in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) eingegriffen wird. § 88 TKG ermächtigt jedoch nicht zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis, sodass entsprechende Regelungen in der TKÜV unzulässig sind. Die Regelung des Eingriffsumfangs ist allein den Bestimmungen der StPO, des AWG und des G 10-G vorbehalten. Abgesehen davon lassen die Bestimmungen hinsichtlich der Daten, auf die zugegriffen werden darf, die gebotene Abstimmung mit dem von der Bundesregierung am 5. September beschlossenen Entwurf zur StPO vermissen (§§ 100g und 100h). Dieser Entwurf enthält strafprozessuale Bestimmungen zum Umfang nachzufragender Telekommunikationsverbindungsdaten (geplanter § 100g Abs. 3 StPO). Und diese gesetzliche Regelung hätte in jedem Fall Vorrang vor der TKÜV. Darüber hinaus verursacht auch der neue TKÜV-E Bedenken hinsichtlich der Abstimmung mit dem Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) und der Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TDSV).

Fazit

Der Verordnungs- beziehungsweise Gesetzgeber sollte so lange davon absehen, durch den Erlass der TKÜV unwiderrufliche Kosten zu verursachen, bis sowohl über die generelle Abwälzung auf die Priatwirtschaft als auch die Erforderlichkeit einzelner Regelungen aufgrund empirisch gesicherter Tatsachen entschieden werden kann. Der Umfang der Ausnahmebestimmungen sollte vor allem im Hinblick auf den sachlichen Umfang der Befreiung, besonders der Einführung einer Befreiung von der Gestaltungspflicht, überdacht werden.

Rechtsanwalt Jens Eckhardt ist Mitarbeiter des Multimedia-Dezernates im Frankfurter Büro der Sozietät Wessing.

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KES 5/2001, Seite 13