Systeme und ihr Umfeld

Überspannungsschutz

Schutzkonzept für EDV-Systeme

Von Ralf Hausmann, Blomberg

Nicht nur Hacker, Viren und Systemfehler bedrohen die Verfügbarkeit von Informationstechnik. Auch Stromschwankungen können zu Abstürzen und Totalschäden führen. Damit Überspannungen auf PCs, Servern, Netzzugängen, Telefonanlagen und in Rechenzentren keine Chance haben, sollte man einen mehrstufigen Schutz implementieren und so Zerstörungen und Ausfälle auf ein Minimum reduzieren.

Statistisch gesehen schlagen jährlich in Deutschland bis zu fünf Blitze pro Quadratkilometer ein. In den elektrischen Anlagen von Firmen richten Überspannungen schnell fünfstellige Schadenssummen an, wenn es die Elektronik von Computern, Telefon oder Fax erwischt. Um bei EDV- und TK-Geräten eine Zerstörung zu vermeiden, ist ein professionelles Überspannungsschutzkonzept notwendig. Im Produktprogramm der Überspannungsschutzanbieter gibt es für nahezu jedes elektrische System einen passenden Filter.

Für Informations- und Telekommunikationstechnik empfiehlt sich bereits für die Stromversorgungssysteme ein dreistufiges Schutzkonzept: Die erste Schutzstufe ist aus technischer Sicht direkt hinter dem Hauptanschlusskasten durch einen Blitzstromableiter der so genannten Anforderungsklasse B zu realisieren. Die Überspannungsableiter der Klasse C bilden die zweite Schutzstufe; Einsatzort sind die nachgeschalteten Unterverteilungen. Die dritte Stufe besteht schließlich aus dem jeweiligen Geräteschutz direkt vor dem Endgerät (Steckdose).

Damit die Energien eines Blitzes die einzelnen Schutzstufen nicht überlasten, sind Überspannungsschutzgeräte energetisch zu koordinieren. Zwischen den Blitzstromableitern Klasse B und den Überspannungsableitern Klasse C sind circa 10 Meter Leitungslänge erforderlich. Fehlt die benötigte Leitungslänge zwischen erster und zweiter Schutzstufe, so kann man eine aktive Energiesteuerung (Active Energy Control, AEC) für Blitzstrom- und Überspannungsableiter einsetzen, eine aktiv kontrollierte Energiesteuerung zwischen Blitzstrom- und Überspannungsableiter. Dabei ist der Blitzstromableiter mit einer Zündelektronik zum Triggern der Ansprechspannung ausgestattet. Diese Applikation benötigt erstmals keine Entkopplung (Leitungslänge oder Entkopplungsspulen). Blitzstrom- und Überspannungsableiter können nach dem AEC-Prinzip direkt parallel arbeiten.

Jede Leitung leitet

Neben dem Überspannungsschutz auf der Stromversorgungsseite sind auch weitere Schnittstellen, zum Beispiel die Telefon-, Daten- und MSR-Leitungen (Mess-, Steuer- und Regelungstechnik), mit Überspannungsschutz auszurüsten. Erst dann ergibt sich ein geschlossener Schutzkreis und alle von außen kommenden Überspannungen werden an dieser Schutzzonengrenze sicher in das Erdreich abgeleitet und somit vom Endgerät ferngehalten.

[Gefahr für PCs droht von Datennetz-, Stromversorgungs- DFÜ- und Antennenleitungen]
Der geschlossene Schutzkreis: Alle Leitungen zu einem IT-/TK-System sollten gegen Überspannung geschützt werden.

Zukunftsorientierte IT-Einrichtungen besitzen eine flexible, strukturierte Gebäudeverkabelung, auch um große Datenmengen schnell und sicher zu übertragen. Die heutige Verkabelung ist üblicherweise für 100 MBit/s (zum Beispiel im Fast Ethernet 100 Base-T) oder gar für 1 GBit/s ausgelegt. Für diese schnellen EDV-Systeme sind Komponenten notwendig, die mindestens der Anforderungsklasse "Categorie 5" der Europanorm EN 50173 (Leistungsanforderung an strukturierte Verkabelungsschemata) entsprechen.

Als Übertragungsmedium nutzt man entweder Lichtwellenleiter (LWL) oder Kupferkabel. Die LWL-"Kabel" ermöglichen nicht nur hohe Übertragungsraten, die 100 MBit/s deutlich überschreiten, sondern bieten durch die Verwendung von Lichtsignalen anstelle elektrischer Signale auch ein Optimum an Überspannungssicherheit und erfüllen zudem optimal die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Kupferkabel benötigen hingegen Überspannungsschutzgeräte.

[Foto: D-LAN-A/RJ45 von Phoenix Contact]
D-LAN-A/RJ45 schützt auf Datenleitungen alle acht Adern, sodass eine veränderte Steckerbelegung keine Änderungen am Überspannungsschutz erforderlich macht.

Wenn unterschiedliche Datenübertragungssysteme wie Ethernet, Token Ring und CDDI (Copper Distributed Data Interface, FDDI auf Kupferkabel) genutzt werden, ist der Überspannungsschutz aufgrund der verschiedenen Kontaktbelegungen der RJ45-Steckverbinder an das jeweilige System anzupassen. Um bei Veränderungen (Systemwechsel, Umbelegung im Patchfeld usw.), die möglicherweise auch eine andere Kontaktbelegung des RJ45-Steckverbinders mit sich bringen, keine Überspannungskomponenten austauschen zu müssen, sollte man gegebenenfalls bei der Erstausrüstung Schutzgeräte verwenden, die für unterschiedliche EDV-Systeme geeignet sind. Es gibt durchaus Überspannungsschutzgeräte für alle acht Adern eines EDV-Kabels. Beim D-LAN-A/RJ45 von Phoenix Contact ist die Schutzschaltung beispielsweise so ausgelegt, dass wahlfrei zwei bis acht Adern (paarweise) nutzbar sind. Damit ist das Gerät für jegliche Technik gerüstet, die RJ45-Steckverbinder nutzt.

[Foto: CBT-2M-RJ45/1 von Phoenix Contact]
Kombinationsschutz für Daten- und Stromversorgung bei PCs

Bei PCs können Stromversorgungsleitungen und Netzwerkanschluss auch ohne großen Verdrahtungsaufwand mit Kombinationsschutzgeräten versehen werden. Ist der Einsatz solcher Geräte nicht möglich, so kann man auch einen separaten Netz- und Datenschutz installieren. Hierbei muss auf eine kurze Verbindung der Ableitung des Daten-Schutzbauteils zum Bezugspotenzial des Geräteschutzbauteils geachtet werden.

Für den Schutz von direkt am Telefonnetz angeschlossenen Computersystemen und TK-Anlagen benötigt man eine Überspannungsschutz-Vorrichtung am ankommenden Telekommunikationskabel. Als Einbaumöglichkeit bieten sich, abhängig von der Installationstechnik, TAE-Anschlussdosen oder aufsteckbare LSA-Plus-Schutzstecker in Modulbauweise für eine oder mehrer Doppeladern an (LSA: löt-, schraub- und abisolierfrei). Bei ISDN-Anschlüssen kann man zusätzlich zum Schutz der Telefonanlage auch den Netzabschluss schützen, den die Telekom zur Verfügung stellt.

Auf Normen achten

Um ein qualitativ hochwertiges Überspannungsschutzsystem aufzubauen, sollte man allgemein Produkte einsetzen, die eine Klassifizierung nach den einschlägigen Überspannungsschutz-Normen besitzen: Überspannungsschutzgeräte der Stromversorgung sollten nach der IEC 61643-1 bzw. VDE 0675, Teil 601, Schutzgeräte für EDV-Anlagen nach der IEC 61644-21 (ehem. IEC 61644-1) bzw. VDE 0845 Teil 3-1 spezifiziert sein.

Dipl.-Ing. Ralf Hausmann ist Mitarbeiter im Produktmarketing Überspannungschutz der Phoenix Contact GmbH & Co KG, Blomberg.

Literatur

[1]
R. Hausmann R., Das blitzschnelle Multitalent, EMV-ESD, Oktober 1999
[2]
Dr. Holger Altmaier, Abwehrtaktik, c't 17/99, S. 138
[3]
IEC 61644-21:2000, Surge protective devices connected to telecommunications and signalling networks-Part 21

© SecuMedia-Verlags-GmbH, D-55205 Ingelheim,
KES 4/2001, Seite 22