Systeme und ihr Umfeld

Video-Sensor-Technik

Alles im Blick

Von Gerlinde Gilly, München

Schließsystem ist gut, Kontrolle ist besser. Natürlich kann man nicht überall Aufpasser postieren, aber mit einem intelligenten Video-Überwachungssystem kann man die Augen des Wachpersonals vervielfältigen und sich nicht nur gegen Einbrecher absichern.

Im großstädtischen Bereich werden nur etwa 10 Prozent der angezeigten Einbrüche aufgeklärt. Bei den übrigen 90 Prozent mag die Versicherung einspringen. Doch nicht immer ist der Schaden ein materieller: Spionage, so schätzen Fachleute, kostet die Wirtschaft jährlich rund 20 Milliarden Mark. In puncto physischer Sicherheit besteht nach wie vor hoher Handlungsbedarf auf Unternehmensseite.

Sicherheit lässt sich als "Zustand der begründeten Sorglosigkeit" definieren; natürlich kann es keine absolute Sicherheit geben. Eine Risikominimierung auf sehr hohem Niveau kann man aber mit einem konsequenten Sicherheitsmanagement durchaus realisieren. Das bedingt die Integration in die gesamte Unternehmensphilosophie nach dem Motto "Total Security Management". Nur so lassen sich Gefahren von außen (etwa Einbruch, Diebstahl, Sabotage), aber auch von innen (Arbeitssicherheit, Brand- und Umweltschutz) in Grenzen halten.

Augen fürs Sicherheitskonzept

Das Auge ist für den Menschen der effektivste Zugang zu seiner Realität. Denn der Sehsinn informiert schnell. Die Wahrnehmung geht direkt vom Auge ins Gehirn. Dort wird eine "eingehende Meldung" mit früheren, im Gehirn gespeicherten Bildern verglichen und dadurch weitgehend fehlalarm-resistent ausgewertet. Heutige Video-Sensor-Systeme und ihre Komponenten arbeiten im Prinzip wie das menschliche Wahrnehmungs-System – nur zuverlässiger und ausdauernder.

[Foto: Videoleitstand]
Intelligente Video-Sensoren können den Menschen von Bildern leerer Räume befreien und ihn bei Abweichungen von einem Referenzbild alarmieren.

Deshalb kommen Videoüberwachungssysteme überall dort zum Einsatz, wo das menschliche Auge Unterstützung durch die Objektivität der Technik braucht: im Innenraumbereich etwa in Rechenzentren, in Bibliotheken oder Museen mit ihren wertvollen Exponaten, in Krankenhäusern und Flughafengebäuden. Sie eignen sich aber auch hervorragend für Aufgaben bei der Fertigungssteuerung von Produktionsstraßen im verarbeitenden Gewerbe und bei der Qualitätssicherung.

Im Außenraum leisten Video-Sensor-Systeme bei der Überwachung von Tunnels und bei der Sicherung sensitiver Industrie- oder Zaunanlagen wertvolle Dienste. Auch unbemannte und damit kostengünstige Überwachungsstationen lassen sich unkompliziert einrichten. Die zur Verifizierung notwendigen Daten übermitteln sie über moderne Übertragungstechniken an eine Alarmzentrale.

Das Prinzip der Gefahrenerkennung ist immer die Unterscheidung. Ein beliebiger Zustand X wird als normal, als Norm oder Referenz definiert. Abweichungen von der Norm müssen erkannt und – möglichst schnell und treffsicher – beurteilt werden. Dieses Prinzip gilt für den Menschen genauso wie für die Technik.

Der Mensch urteilt aufgrund seiner subjektiven Erfahrungen. Er kann blitzschnell entscheiden, ob eine Abweichung von der Norm für ihn eine potenzielle Gefahr darstellt oder nicht. Den Menschen vollständig zu kopieren, das schafft auch eine noch so "intelligente" Videotechnik nicht – und das ist auch gut so. Dennoch erledigen in bestimmten Situationen intelligente Algorithmen wie Neuronale Netze oder Fuzzy Logic die gestellten Aufgaben inzwischen besser als der Mensch. So auch bei der Videoüberwachung: Algorithmen sind ermüdungsfrei rund um die Uhr einsetzbar und dank moderner Übertragungstechnik unabhängig vom Standort.

Video-Sensor-Technik erkennt Szenenveränderungen in einem digitalisierten Referenzbild. Alle weiteren Bilder, die eine installierte Videokamera aufzeichnet, werden mit diesem Referenzbild verglichen. Bei leistungsstarken Produkten bis zu 25-mal pro Sekunde. Diese Geschwindigkeit garantiert eine lückenlose Überwachung.

Gefahr erkannt

Eine Abweichung vom Referenzbild, beispielsweise eine Person, die in einem Bildausschnitt auftritt und dort nicht vorgesehen ist, fällt unmittelbar auf. Ein "intelligentes Überwachungsgehirn" schlägt jetzt aber nicht sofort Alarm. Es reagiert vielmehr ganz ähnlich einem umsichtigen menschlichen Beobachter und sammelt erst einmal weitere Informationen. Dies geschieht, indem ein detektiertes Objekt "getrackt" wird, also Bild für Bild verfolgt. Ein intelligenter Auswertealgorithmus entscheidet dann, ob ein Alarm geboten ist oder nicht.

Solche Algorithmen erlauben es einem modernen Video-Sensor-System, selbstständig zwischen ungefährlichen und gefährlichen Bildveränderungen zu unterscheiden. Die Falschalarmsicherheit wird so drastisch erhöht, denn harmlose Veränderungen wie Bewegungen von Bäumen durch Wind, herabfallende Blätter oder Regen führen zu keinem Alarm.

Die Qualität eines Video-Sensors steht und fällt mit den unterschiedlichen Kriterien, die man im Auswertealgorithmus hinterlegen kann. In Hochleistungsprodukten lassen sich mehrere kundenspezifische Programme mit den entsprechenden Objekten und Parametern permanent und netzunabhängig erstellen und ablegen. So sollten beispielsweise die jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen Umgebungen zu speichern sein. Pro Bild sollten Überwachungszonen mit verschiedenen Parametern möglich sein. Diesen Zonen sollte man Eigenschaften zuordnen können wie Objektgröße (Höhe und Breite), -lebensdauer, -geschwindigkeit oder verschiedene Alarmwege und -richtungen.

Als sehr effektiv haben sich zudem Funktionen erwiesen, die alarmauslösende Objekte beispielsweise so lange auf dem Überwachungsmonitor erhellt darstellen oder durch ein zusätzliches akustisches Signal Aufmerksamkeit erregen, bis das Überwachungspersonal die Meldung erkannt und entsprechend reagiert hat. Auch autark arbeitende Überwachungsgruppen für jede einzelne Kamera sollten möglich sein, um dadurch eine größtmögliche Betriebssicherheit selbst bei PC-Ausfall zu garantieren.

Intelligente Video-Sensoren sind heute weitgehend unabhängig von den herrschenden Umweltbedinungen geworden. Eine automatische Anpassung an wechselnde Lichtverhältnisse durch computergesteuerten Austausch des Referenzbildes, paralleles Auswerten von Überwachungs- und Lichtmessebenen zur Minimierung von Fehlalarmen, perspektivische Auswertung zur automatischen Größenkorrektur, richtungsabhängige Detektion und Auslösen des Alarms nur bei Bewegungen in eine festgelegte Richtung sorgen für eine hohe Falschalarmsicherheit.

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Sicherheits-Leitstelle bei Infineon

Beim Chiphersteller Infineon ermöglicht dank modernster Sicherheitstechnik und Datenfernübertragung eine einzige Leitstelle mit zwei Arbeitsplätzen weltweites Überwachen und Intervenieren. Die gesamte sicherheitstechnische Kommunikation in die nahe oder globale Peripherie läuft über das Security Control Center (SCC) in München.

An allen wichtigen Infineon-Standorten dieser Welt befinden sich Videokameras, Intrusionsschutzsensoren, Rauchmelder und berührungslose Ausweisleser. Per ISDN und über die bekannten Datenleitungen (CIP-Netz oder WWW) stehen sämtliche Peripherie-Geräte rund um die Uhr mit dem SCC in Verbindung. Die Sicherheitsleute in der Zentrale sind in der Lage, alle relevanten Meldungen sowie Videobilder aus den aufgeschalteten Überwachungsstandorten nicht nur zu empfangen, sondern diese auch zu administrieren und sofort entsprechende Interventionsmaßnahmen einzuleiten.

Umfangreiche Gefährdungsanalysen hatten zuvor gezeigt, dass nur ein einheitliches, zentral gesteuertes Sicherheitsmanagement die hohen Anforderungen von Infineon unabhängig von lokalen Sicherheitsphilosophien und Mentalitäten umsetzen kann. Einen entscheidenden Vorteil bietet die zentralisierte Implementierung von organisatorischen und technischen Sicherheitsmaßnahmen im SCC in puncto Ressourcen: Qualifiziertes, für die sicherheitstechnischen Anforderungen in nötigem Maße sensibilisiertes Personal ist in manchen Regionen der Welt nur schwer zu haben. Das SCC beschränkt den Personal- und Technikeinsatz in der Peripherie auf ein Minimum.

Wichtig bei der Konzeption des Security Control Center war, dass vorhandene Sicherheitssysteme vor Ort als unabhängige und selbstständige Einrichtungen weiterhin einzeln bedient, versorgt und gewartet werden können. Daher befindet sich im SCC eine übergreifende, technische Intelligenz, die diese Einzelsysteme zusammenfasst: der Einsatz-Leitstellen-Rechner (ELR). Zur Integration im SCC koppelt Infineon folgende Peripheriesysteme verschiedener Hersteller an diesen ELR:

Derzeit sind bei Infineon circa 300 Kameras installiert, die Unbefugte und kritische Situationen ins Visier nehmen. Zur sicheren Erfassung der Alarmsituation ist ein Bildspeicher vor Ort installiert, der zum Zeitpunkt der Alarmbearbeitung im SCC durch einen automatischen oder manuellen Abruf die Bilder der Alarmsequenzen liefert. Zusätzlich kommen auch Live-Bilder über das ISDN-Netz, aufgrund der Übertragungsdauer aber nicht in Echtzeit.

Um eine Observationslücke zu vermeiden, sorgt der digitale Bildspeicher vor Ort für die Aufzeichnung der alarmauslösenden ersten 180 Bilder. Diese werden nach der Aufnahme digital als Telegramm etwa über das CIP-Netz an das SCC gesendet, am "Interaktiven Videomanagement System" ausgewertet und dem ELR für die Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Währenddessen läuft über ISDN das live übertragene Überwachungsbild ein.

Eine wichtige Einrichtung des SCC ist aber auch das Telefon. Alle Ereignisse, die detektiert und per Video falsifiziert oder verifiziert werden, lassen sich über die Telefonanlage, ergänzt mit einem Notrufsystem, kommentieren. Der ELR kann im Alarmbearbeitungsfall automatisch die Verbindungen herstellen und im manuellen Betrieb immer die für den Einzelfall zuständigen Personen anwählen. Somit werden alle Gespräche über Maßnahmen und Controlling direkt mit den richtigen Ansprechpartnern der Standorte besprochen.

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Vorgeschobene Beobachter

Ohne Adlerauge kommt aber kein Superhirn aus: Zeichnen die optischen Linsen vor Ort keine klaren Bilder auf, kann die Auswertung noch so ausgefeilt, das Referenzbild noch so eindeutig sein. Zu einer hochkompetenten Video-Anlage gehören konsequenterweise auch hochwertige Kamera-Komponenten. Aktuelle Farbkameras lassen sich für nahezu alle Bereiche der Beobachtung und Überwachung einsetzen und ideal in ein intelligentes Video-Sensor-System integrieren. Sie besitzen eine hohe Langzeitstabilität und liefern auch bei schlecht ausgeleuchteten Szenen gute Live-Bilder in Farbe.

Moderne Kameras nehmen aber das Bild nicht nur auf, sondern verfügen durch eingebaute digitale Signal-Prozessoren (DSP) auch über eigene Intelligenz, die eine Bearbeitung des Videosignals in Echtzeit ermöglicht. Werks- oder kundenseitige Einstellungen sind dadurch keiner Temperaturdrift mehr ausgesetzt, Anwendungen wie elektronisches Zoomen oder die Schwenk-/Neige-Funktion werden nicht mehr beeinträchtigt. Die Bildqualität bleibt unter nahezu allen Bedingungen konstant gut, das elektronische Zoomen funktioniert stufenlos, oft bis auf eine 8fache Vergrößerung.

Geeignete Schutzgehäuse erlauben Einsätze auch unter schwierigen Bedingungen, etwa bei feuchter oder sehr staubiger Atmosphäre im Innenraum. Im Freien lassen sich entsprechend geschützte Kameras selbst in Zonen mit explosionsgefährdeten Bereichen oder hohen Umgebungstemperaturen anbringen.

Kameras sind heute nicht mehr nur lokal parametrierbar. Eingebaute Schnittstellen erlauben nicht nur eine volle Integration in das Video-Sensor-System, sondern auch die Fernadministration einzelner Kameras. Alle Parameter sind nichtflüchtig in der Kamera abgelegt. Auch bei Spannungsverlust bleibt der konfigurierte Zusand somit erhalten; außerdem ermöglicht das eine Parametereinstellung vor der Montage.

Nervensystem

In einem intelligenten Video-Sensor-System sind alle Komponenten wie Kamera, Videomatrix, digitaler Bildspeicher, Videosensor, digitales Bildübertragungssystem und externe Systeme miteinander vernetzt. Ein modularer Aufbau ermöglicht eine universelle Einsetzbarkeit, die Client/Server-Architektur Ein- und Mehrplatz-Systeme für kleine und große Anwendungsbereiche.

Parametrierung, Steuerung, Visualisierung und Bedienung eines intelligenten Video-Sensor-Systems erfolgen über grafische Oberflächen einheitlich und benutzerfreundlich auf dem PC in der Videoleitstelle. Der Bediener sollte in der Lage sein, das gesamte Video-Management-System von der Generierung der Lagepläne über die Parametrierung bis zur Visualisierung, Auswahl und Steuerung einzelner Videokomponenten oder externer Systeme zu nutzen. Über Schnittstellen werden dann ereignisgesteuerte Meldungen, Alarme oder Prozessinformationen aus zugeordneten Systemen visualisiert, ausgewertet und dokumentiert.

Bei intelligenter Übertragung und Steuerung durch ein Video-Management-System bleibt eine Meldung nicht einfach eine Meldung: Anwender gewinnen aufgrund der eindeutigen Zuordnung von protokollierten Bildern und Ereignisdaten Erkenntnisse über die Hintergründe und Ursachen. Live-Bilder liefern dann üblicherweise wichtige Informationen über die Gefahrenentwicklung.

[Screenshot: Livebild-Einspielung]
Nachdem ein Video-Sensor-System eine unerlaubte Bewegung an die Leitstelle gemeldet hat, kann der Überwacher anhand eines Livebilds beurteilen, ob ein Grund zum Alarm vorliegt.

Gerade in sicherheitsrelevanten Anwendungen ist zudem die Speicherung der Daten ein wichtiger Punkt: Szenen müssen rekonstruierbar sein, um Ursachen für Alarme oder Fehlverhalten zu finden. Mit digitaler Speichertechnik ist es möglich, wartungsfrei über mehrere Jahre hinweg zu speichern und Bilder nach Suchkriterien wie Datum, Uhrzeit, Kameranummer oder Meldekennung abzurufen.

Moderne Bildspeichersysteme zeichnen heute wahlweise schwarz/weiß oder in Farbe auf. 32-Bit-Busse gewährleisten dabei schnellen Zugriff auf das gesamte Datenmaterial. Ein so hoher Speicherdurchsatz ermöglicht es, bis zu 25 Bilder in der Sekunde abzurufen – also "Live-Geschwindigkeit". Eine digitale Bildspeicherung ist immer dort empfehlenswert, wo man Einzelbilder oder Bildsequenzen dauerhaft und in hoher Qualität aufzeichnen, speichern, bearbeiten oder archivieren will.

Der Mensch mit seinem wachen Verstand und seiner raschen Urteilsfähigkeit dient als geniales Vorbild. Moderne Überwachungssysteme sollten "intelligent mitdenken", "scharf sehen" und Wissen lange "behalten" können – und damit Auge, Gehirn, Nervensystem und Rückgrat einer umfassenden, ganzheitlich in der Unternehmensphilosophie verankerten Sicherheits-Konzeption bilden. Als letzte Instanz brauchen sie aber weiterhin den Menschen. Auch gut ausgebildetes Personal in ausreichender Stärke bleibt daher ein wesentlicher Sicherheitsfaktor.

Gerlinde Gilly ist Marketing-Beraterin bei der Siemens Gebäudetechnik GmbH & Co. oHG, München (www.de.sibt.com).

Tool-CD "Zeit & Zutritt"

Produkte, Lösungsangebote, Tools und Gesamtkatalog der Siemens Gebäudetechnik stehen Planern und Entscheidern auf einer kostenlosen CD zur Verfügung, die per E-Mail an redaktion@prospero-pr.de angefordert werden kann.

© SecuMedia-Verlags-GmbH, D-55205 Ingelheim,
KES 2/2001, Seite 55