Herausforderung Technologieforecast

Von Frank Gehring und Markus Ullmann, BSI

Die Studie "Kommunikations- und Informationstechnik 2010: Trends in Technologie und Markt" unternimmt den Versuch, Analysen, Trends und Perspektiven sowie deren Wechselwirkungen auf den Gebieten der Informations- und Kommunikationstechnik aufzuzeigen. Sie kann helfen, aus verschiedenen Blickwinkeln heraus die sich abzeichnenden künftigen Entwicklungen zu betrachten und Fehleinschätzungen zu vermeiden.

1 Warum Technologieforecast?

Informations- und Kommunikationstechnologien (IT & KT) unterliegen einem hohen Innovationspotenzial und einem sprunghaftem technologischem Wandel. Zudem sind die Informations- und Kommunikationstechnik "enabling technologies", das heißt sie bilden die Grundlage für neue Anwendungen. IT und KT werden mehr und mehr zum wirtschaftlichen Schrittmacher. Sie ermöglichen sowohl neue Produkte als auch neue Prozesse. Betrachten wir das Beispiel Internet mit seinem Dienst "www": E-Commerce, die elektronische Anbahnung bzw. Abwicklung von Geschäften, ist ein gigantischer Wachstumsmarkt im Wesentlichen zwischen Unternehmen. Hauptgründe hierfür sind Kosteneinsparungen und die Vermeidung von Medienbrüchen. Allein in Deutschland wird im Jahr 2001 ein Umsatz von 27,8 Milliarden DM gegenüber 8,6 Milliarden DM in 1999 erwartet.

Heute im Online-Zeitalter werden ganze Unternehmenszweige vollständig neu positioniert und ausgerichtet. Aber nicht nur im Business-Bereich führt dies zu Veränderungen. Auch im staatlichen Bereich will man die neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie im Rahmen des E-Government nutzen. Dieser Wandel bietet große Entwicklungschancen, wenn man sich richtig positioniert. Start-up-Unternehmen entwickelten sich in wenigen Jahren zu Marktführern in ihrem Marktsegment. Andererseits bergen diese schnellen Entwicklungen auch immer die Gefahr der Fehleinschätzung mit zum Teil gravierenden Folgen. Unternehmen, die vor Jahren noch ein Alleinstellungsmerkmal hatten, verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Deshalb ist es notwendig, einerseits verlässliche Prognosen über die technische Weiterentwicklung verfügbar zu haben und anderseits daraus für sich die richtigen Schlüsse zu ziehen.

[Coverscan: BSI-Studie Kommunikations- und Informationstechnik 2010]
Die aktuelle Studie "Kommunikations- und Informationstechnik 2010: Trends in Technologie und Markt", aufgelegt beim SecuMedia Verlag mit der ISBN 3-922746-35-7, kann über den Buchhandel bezogen werden.

2 Zusammenfassung

Inhaltlich gliedert sich diese Studie in zwei Themenbereiche, einen Technologieteil mit den Bereichen Rechnertechnik, Netze und Kommunikation, Datenbanken und Wissensmanagement sowie Softwaretechnik und einen Anwendungsteil.

2.1 Rechnertechnik

Das Teilgebiet gliedert sich in Bereiche, von denen insbesondere neue Technologien zur Prozessorherstellung, Steigerung der Integrationsdichte und der Leistungsfähigkeit von Prozessoren, Prozessorarchitekturen und Betriebssysteme, Leistungssteigerung der Speichersysteme, die Mensch-Maschine-Kommunikation und der Bereich der Parallel- und Hochleistungsrechner betrachtet wurden.

Der Bereich der Prozessorherstellung umfasst sowohl die Weiterentwicklung existierender Ansätze als auch den Einsatz neuartiger Konzepte. So wurde unter anderem untersucht, inwiefern herkömmliche, siliziumbasierte Halbleiter weiterhin ausreichende Leistungssteigerungen für Prozessoren garantieren können, welche Verbindungstechniken (Aluminium-, Kupfer- oder optische Verbindungen) zwischen den Transistoren eines Chips bestehen und wann optische, biologische und Quanten-Prozessoren zur Verfügung stehen.

Erhebliche Veränderungen für die Mensch-Maschine-Kommunikation sind künftig zu erwarten. Die Untersuchungen zeigten, dass die heute vorwiegende Eingabe von Informationen über die Tastatur zunehmend durch die Spracheingabe und Handschriftenerkennung abgelöst werden wird.

Im Bereich der Parallel- und Hochleistungsrechner werden erhebliche Veränderungen erwartet. Das Cluster-Computing wird für den Markt der Hochleistungsrechner klar dominieren, wobei die Vektorrechner stark an Bedeutung verlieren, da ihre Funktionalitäten teilweise in Standardprozessoren integriert werden.

2.2 Netze und Kommunikation

Dieser Bereich befasst sich mit den wesentlichen Teilgebieten der Kommunikationstechnik. Neben den Basistechnologien zur Vernetzung von Computersystemen im LAN- sowie im WAN-Bereich wird auf die zunehmende Erhöhung der Übertragungskapazitäten eingegangen. Neben den vielfältigen Tendenzen zur Konvergenz bei Transportsystemen und im Telekommunikationsbereich wird der Trend zur Dienstorientierung und der Einsatz von Sicherheitsmechanismen untersucht. Zum Abschluss werden flexiblere Infrastrukturen – programmierbare Netze – und das Mobile Computing in die Untersuchungen einbezogen.

In diesem Teilbereich wird zunächst auf die Steigerung der Übertragungsraten im Netzbereich eingegangen, die durch neue Anwendungen notwendig werden. Lösungsmöglichkeiten werden hier durch den Aufbau von Netzen auf der Basis von Glasfasern im Backbonebereich oder durch den Einsatz von rein optischen Übertragungs- und Vermittlungssystemen (photonische Netze) sowie drahtlosen Netzen gesehen.

Weiterhin wird auf die Konvergenz der Netztechnologien und Übertragungstechniken, unterschieden nach Protokollen (IPv4, IPv6 und mobile IP) und nach Übertragungs- und Netztechnologien (Gigabit-Ethernet, ATM und WDM), eingegangen. Die Konvergenz zwischen Sprach- und Datenkommunikation (Voice over IP) sowie zwischen dem Mobil- und Festnetz (Endgeräte- und Dienstebene) sind weitere Themen.

Dem künftig sehr wichtigen Thema im Internet, der End-to-End Dienstgüte und dem dienstorientierten Management sowie dem Einsatz von Sicherheitsmechanismen zeitkritischer Anwendungen wird ein weiterer wichtiger Bereich dieser Studie gewidmet.

Dem Trend hin zu flexibleren Infrastrukturen sowie dem Wunsch nach mehr Mobilität, wie sie durch programmierbare Netze und durch neue Standards wie GPRS, UMTS und Bluetooth erreicht werden, beschließt dieses Kapitel.

2.3 Datenbanken und Wissensmanagement

In diesem Abschnitt der Studie wird untersucht, welche Trends im Bereich der Datenbanken zu verzeichnen sind. Entwicklungstendenzen bei Datenbanksystemen, die Integration von Web-Funktionalitäten in Datenbanksysteme und die Vereinheitlichung von Datenbank-Schnittstellen kennzeichnen diesen Abschnitt der Studie. Ebenfalls werden Entwicklungen der verteilten interoperablen Datenbanksysteme sowie die Datenanalyse und Wissensgenerierung in diese Untersuchungen eingeschlossen. Im Einzelnen wurden künftige Entwicklungstendenzen zwischen relationalen, objektorientierten und objektrelationalen Datenbanksystemen evaluiert.

Unter dem Aspekt der Wissensgenerierung werden Techniken wie die Klassifikation von Daten bzw. das Finden von Assoziationsregeln einander gegenübergestellt. Abschließend werden Performancesteigerungen in Datenbanksystemen untersucht. Die Zukunft kommerzieller Datenbanksysteme liegt im Wesentlichen in der Parallelisierung der Datenbank-Operationen, mit einer Verkürzung der Bearbeitungszeit von Transaktionen. Durch das steigende Datenvolumen, welches auf Sekundärspeicher ausgelagert werden muss, werden spezifische Indexstrukturen und neue Transaktionskonzepte erforderlich, die einen effizienten Zugriff auf Multimedia-Datenbestände ermöglichen.

2.4 Softwaretechnik

Detaillierte Untersuchungen in diesem Bereich werden gekennzeichnet durch effiziente Entwicklungsmethoden und neue Werkzeugkonzepte, die zur Entwicklung moderner Systeme führen. Deren Ziel ist die Vereinfachung und Leistungssteigerung von Software-Entwicklungsprozessen. Dabei sind insbesondere die Trends zur Komponentenorientierung und Wiederverwendung, zur Automatisierung des Entwicklungsprozesses, Systematisierung und Flexibilisierung durch neue Entwicklungstechniken sowie die Standardisierung, Zertifizierung und Qualitätssicherung zu nennen.

Trend "Komponentenorientierung und Wiederverwendung": Zukünftig werden nahezu alle Anwendungsbereiche der Softwareproduktion durch Komposition und Konfiguration von Komponenten entwickelt, die Wiederverwendung von Softwareteilen führt zur Steigerung der Effizienz und Effektivität im Entwicklungsprozess. Ausnahmen bilden sicherheitskritische Systeme sowie Bereiche der Steuerungs- und Regelungstechnik. Das Bindeglied zwischen diesen einzelnen Komponenten wird insbesondere die Komponenten-Technologie sowie die Middleware- und Framework-Technologie sein.

Trend "Standardisierung, Zertifizierung und Qualitätssicherung": Die Softwarequalität mit ihren Merkmalen Zuverlässigkeit, Fehlertoleranz und Verfügbarkeit ist mit dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens eng verknüpft. Zur Steigerung der Softwarequalität sind Standards wie CMM, V-Modell, RUP und die ISO-9000 anerkannt. Wie sich dies für die kleinen und mittleren Unternehmen darstellt, wird in diesem Kapitel diskutiert. Weiterhin wird die Bedeutung von softwarespezifischen Qualitätssicherungsmethoden wie Verifikation und Tests evaluiert.

2.5 Anwendungen

Die in dieser Studie untersuchten Technologiebereiche besitzen eine erhebliche Auswirkung sowohl auf das berufliche als auch auf das private Leben der Menschen. Wie reagiert der Mensch auf neue technologische Entwicklungen in diesem Umfeld? Speziell wird in diesem Teil der Studie der Bereich des Internet und hier vor allem der Bereich Electronic Commerce betrachtet. Im Einzelnen befasst sich die Studie anfangs mit der Bedeutung des Internet als Infrastruktur für Electronic Commerce, über die Entwicklung neuer Geschäftsfelder bis zur Integration von Sicherheitsaspekten.

Durch neue Technologien entstehen neue Geschäftsfelder. So wird das Mieten von Software über das Internet von Application Sevice Provider (ASP), die Ausgliederung von Aufgaben, die nicht zu den Kernkompetenzen des Unternehmens gehören (Business Process Outsourcing) sowie der Handel mit persönlichen Daten über Informationsbroker zunehmend an Bedeutung gewinnen. Unter dem Aspekt der steigenden Vernetzung, Globalisierung und des zunehmenden Wettbewerbs spielt eine wesentliche Rolle die Integration von Sicherheitsaspekten.

Für zukünftige Anwendungen im Internet muss sichergestellt werden, dass durch geeignete Sicherheitsverfahren für die Benutzer ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang werden biometrische Verfahren, digitale Unterschriften und die Nutzung von SmartCards von großer Bedeutung werden.

3 Wie kann man die Studie für die eigenen Bedürfnisse nutzen?

Die Studie ermöglicht, mit unterschiedlichen Perspektiven auf sie zu schauen. Natürlich kann man, wenn man die Zeit hat, die Studie komplett lesen und eine Art "Zukunftsreise" machen und schauen, wie die Technologie-Prognosen in drei oder fünf Jahren in den einzelnen technischen Bereichen ausfallen. Daneben ist natürlich ebenfalls der konzentrierte Blick auf die Technologien möglich, die einen selbst betreffen, zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt, hieraus neue Geschäftsideen zu entwickeln.

Ein weiterer Blickwinkel ist der der IT-Sicherheit. Als Fragestellung ergibt sich: Sind neue technologieinduzierte Sicherheitsprobleme zu erwarten? Dieser Blickwinkel ist notwendig, weil man sich nicht nur mit dem zunehmenden Einsatz der I-und-K-Technologien von deren ordnungsgemäßer Funktion abhängig macht. Zudem setzt man sich mit der geschäftlich notwendigen Öffnung der IT-Infrastrukturen nach außen neuen Bedrohungen aus (der "I love you"-Virus und die verteilten Angriffe auf yahoo etc. sind prominente Beispiele hierfür). Dieser Fragestellung ist das BSI nachgegangen und hat eine Reihe spezieller Analyse-Aufgaben abgeleitet. Hierzu zählen Themenbereiche im Umfeld der Untersuchung kryptographischer Protokolle, Software-Agenten und Non-Standard-Computing wie: Desoxyribonukleinsäure (DNA)- oder Quantencomputing.

4 Ausblick

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Technologieprognosen schnell ihre Aktualität verlieren. Vor diesem Hintergrund muss diese Aufgabe, wenn man sie ernst nimmt, permanent durchgeführt und Ergebnisse veröffentlicht werden. Dies ist beabsichtigt.

© BSI, D-53133 Bonn,
© SecuMedia-Verlags-GmbH, D-55205 Ingelheim,
KES 6/2000, Seite 30